Von Ingo Niermann

Trevor Horn, Mitte Zwanzig, ZTT, Holly Johnson ...

Ich laufe im Zimmer umher, mit dieser ganzen Energie, als würde Sie mich hier- und dorthin schubsen und käme nicht heraus. Ich frage: Do you want to spin me round? und höre mich an ihrer Stelle antworten: Yes, Sir, I can spin you round. .... deep deep inside? - No, I spin you around the world (ayayah).

Was ist los? - Ich beginne mit dem Pop und einer seltsamen Distanz, die alles neuerliche Interesse an ihm bedingt. Schaue aus, was an neuem Pop ungeachtet dessen durchdringend wirkt und behaupte meine fortwährende unbedingte Anteilnahme und Erregung für die distanzierten Lieder des Zang Tuum Tumb. Mein halbes Leben. Zeitenkreuz.

Distanz. Es besteht die Klage, die Alten erdreisteten sich anhaltender Jugendlichkeit und stöhlen so den Jungen die Jugend. Aber was sind die Insignien dieser Jugendlichkeit? Der Turnschuh ist einfach der bequemere, knieschonende Schuh und trägt sich zur beigen Hose wie das bunte Tuch zum Rentnersakko. Wer hat gesagt, der Turnschuh sei die Krawatte der 90er?
Kokain und Amphetamine sind die Kreislaufpillen und das Biovital der gähnenden Nacht. Kombiniert mit Alkohol und Zigaretten, um im Hocker hängenzubleiben und nicht einfach aufzustehen und zu gehen.

Seit wann ist man Mitte Zwanzig zu alt zum Tanzen? Überall hört man zum Tanzen laute Tanzmusik und jede Platte ist voller Tanzmixe, zu denen niemand tanzt. Vielleicht schwoft man zu Hause. In den 7Oern und 8Oern war es auch nur der Discofoxtrott, aber es konnte mehr werden. Techno wurde in Deutschland zunächst von einer alt gewordenen Jugend getragen, die Industrial erlebt und sich später irgendwo verirrt hatte, bis sie begriff, daß Industrial nicht nur bejaht, sondern bejubelt werden mußte.

Dann funktionierte es invers zur Weltmusik. Die in sich gekehrte Stadt. Wir tanzen die betonierte Stadt des Nordens und können uns genauso bunt kostümieren. Aber Tanzen in Berlin zum Beispiel war immer eine Katastrophe, bis Jungle kam und verschwand.

Heute gibt man sich nicht die Blöße. Jugend wird zu einem anspruchsbeladenen Konzept, so wie man feststellt, daß man in dem Sinne nie jung gewesen ist und es wohl nie mehr sein wird. Obgleich man von der körperlichen Konstitution her immer noch könnte und sich diese zu erhalten bemüht.

Man weiß, welchen Preis man zu zahlen hätte. Wer ist so verrückt, willentlich verrückt zu sein. Alle wissen es zu schätzen, aber wer macht den ersten Schritt, wer ist der Blöde, es zu sein.
Wesentliches Stilmittel dieses Lauernden, Eventuellen ist die Ironie. Die Freude, es allen sagen zu können, auch denen, die es trifft, aber vor allem denen, die es gar nicht verstehen, ist seit jeher Ausdruck der Machtlosigkeit oder ein Mittel des Vermeidens: Verschiedenstes hervorzukehren und zugleich zu verschütten. Nervengift Ironie, also sucht man die Ironie in der Schwebe zu halten. In den frühen und mittleren 8Oern bestand die Provokation in dem teils ironischen Bejahen von Kommerzialität und ihrem Milieu. Möglichst jung erwachsen und liquide zu sein. Doch in der knapp bemessenen Freizeit, möchte der Arbeitende Status und verbliebene Frische unter Beweis stellen und die weiteren Früchte ernten, ist er der Langeweiler, die Dumpfbacke.

In einer ohnehin wohlhabenden Gesellschaft reicht es nicht, sich eine Auswahl exotischer Früchte zu pflücken, man muß sich mit ihnen schmücken, als sei man selbst der Baum. Das ist die Teil-Ironie der mittleren und späten 90er. Zwischen den Skurrilitäten, die waren, und denen, die sind, deutet sich eine eigene Vergangenheit an, die kokett fortschreitet. Ist das neue nicht mein altes Schwarz, das neue nicht mein altes Hemd?
Die für ihre eigene Vergangenheit zu alt gewordenen suchen sich mit noch weiter zurückliegenden Vergangenheiten - Wilder Westen, Belle Epoque, Bohemien - in Verbindung zu bringen, als seien sie deren vergleichsweise jung gebliebenen Veteranen.
Die Vergangenheit ist unserer Freizeit zur Verfügung geöffnet.