Von Natascha Sadr Haghighian
in
der filmsprache heißt es pov und steht für die subjektive kamera. das
bedeutet, die kamera tut so, als wäre sie eine der personen im film und
sieht die geschehnisse aus deren sicht. pov wird gerne in splatterfilmen
eingesetzt, wenn das böse naht.
das böse betrachtet seine opfer, bevor es zuschlägt.
das wirkt bedrohlicher und das böse muß selbst nicht gezeigt werden (das
ist ja meistens eher enttäuschend). seit es steadycams gibt wird pov gerne
und viel eingesetzt. ohne schienen lässt sich fast jede bewegung eines
akteurs nachvollziehn. es gab in letzter zeit einige videos auf mtv, die
sich fast ausschliesslich pov bedienten. die rolling stones, madonna und
nicht zuletzt prodigy mit smack my bitch. lustigerweise wird in allen
drei fällen die subjektive als blick einer frau aufgelöst und alle sehen
ein verzerrtes bild ihrer umgebung, das sie isoliert in ihrem blick.
bei den rolling stones sind pillen im spiel, bei madonna
wird durch pov eher die klaustrophobische warnehmung einer oberflächlichen
party-pop-welt gezeigt, in der madonna nur substitute für ihre suche nach
liebe findet. bei prodigy schließlich wird auf vermeintlich subversive
weise mit der identifizierung des betrachters mit pov gespielt. eine offensichtlich
alkoholisierte subjektive, die automatisch für einen mann gehalten wird,
zieht in völlig verstrahltem zustand durch die nacht und läßt nichts anbrennen.
sie verhält sich dabei gewalttätig und brutal. die mißhandlung von frauen
darf dabei nicht fehlen.
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Am ende sieht der vermeintliche mann in den spiegel und
ist -überraschung, überraschung!- eine frau. ui! da sind wir aber ganz
schön reingelegt worden und müssen schleunigst mal unsere stereotypen
vorstellungen überdenken. für die frage der legitimation von gewalt überhaupt
bedürfte es jedoch eines anderen viewpoint, der im clip aber nicht auftaucht
und scheinbar auch nicht zur debatte steht, denn das zeigen von gewalt
wird durch die subjektive legitimiert und deren auflösung passiert nur
im spiegelbild, also nie.
Irgendwie kommt man nicht umhin, sich über die Harmlosikeit
dieses Begriffes zu ärgern. Aufgebauscht u.a. durch den Sicherheitswahn
diverser Behörden, die noch keinen Umgang mit Hacking gefunden haben,
wird extremistisches Vokabular im Netz auch gerne zur ungefährlichen
Imagebildung von "NetzkünstlerInnen" herangezogen.
beim in computerspielen ist pov mehr wegzudenken. 2d
spiele wie pingpong oder pacman bewegen sich an der bildschirmoberfläche.
der spieler identifiziert sich mit einem der sich bewegenden punkte auf
dem schirm. „das bist du" wurde einem neuen mitspieler mit dem finger
drauf deutend mitgeteilt. bei 3d spielen besteht darüber kein zweifel
mehr, die subjektive blickführung vermittelt die direkte übertragung des
blicks auf die position im spiel. in der städteplanung ist diese blickführung
so erfolgreich eingesetzt worden, daß sich die gebaute wirklichkeit hinterher
wie in den animationen anfühlt. zuletzt war dieses phänomen am potsdamer
platz zu erfahren. „es sieht genauso aus wie in den videos, die in der
infobox laufen", war das resumee vieler, die den platz in den eröffnungstagen
besuchten.
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