Futura 2000
Das war vor Jahren - und Jetzt
Der Typ ist sein eigener Hype. Vor Jahren sahen wir seinen Namen in einer Kölner Ausstellung über das New Yorker East Village Anfang der 80er Jahre: Grafitty, Galerien, dann Trendviertel und Stadtsanierung. Jetzt erinnert man sich bei seinem Namen an Plattencover von Mo'Wax und zieht sie vor dem Interview-Termin nochmal aus dem Plattenregal. Aktuell wird im grafisch ambitionierten Berliner Skater-Magazin LoDown ein Ausschnitt seiner neueren Produktion gezeigt,mit LoDowns Hauptperson Thomas "Marok" Marecki wird er demnächst auch eine Ausstellungstour quer durch Deutschland bestreiten.Und dann sitzen wir im Fernsehturm-Café, der Turm dreht sich und die Geschichte: Futura 2000 ist da mit seiner Frau, dem wichtigsten Teil seines Lebens, da rechnet er seine zwei Kinder natürlich dazu. Die Klimaanlage ist an diesem heißen Tag ausgefallen und wir müssen heimlich rauchen, allesamt, und in die ausgetrunkenen Gläser unterm Tisch aschen. So kann es nicht wirklich um die Produktion gehen, sondern um deren Bedingungen, was man so gerne das Leben nennt.
Wir waren Untergrund, die Subways lackieren oder wie auch immer, und plötzlich wuchs diese Bewegung in die Straße und in die Galerien. Einige der Leute, die von der Grafitti-Bewegung wußten, wollten das in die Galerie-Szene übersetzen, und so eröffneten sie diese alternativen Räume, die du in East Village damals gefunden hast. Erst gab es einen, dann vier, dann vierundfünfzig. In den ersten drei Jahren der Achziger gab es über 70 Galerien im East Village, das war völlig lächerlich. Jeder, der etwas Geld hatte, wollte eine Galerie aufmachen, mehr aus der Tasache, daß die Künstler folgten, um sich damit selbst zu zeigen. Wenn dir jemand eine Ausbildung zahlt, hey, was sind dann nochmal zehntausend Dollar um einen billigen Laden zu kriegen und eine Galerie zu machen und dann seine Arbeit dort zu zeigen.
Ab 1981 stellte Futura aus und hatte Shows mit inzwischen kunsthistorischen Größen wie Keith Haring, Kenny Scharf und Jean Michel Basquiat.
Futura ist heute 42 Jahre alt, damals also 26 gewesen.
Das ist eine lange Zeit her. Herr 2000 ist andere Wege gegangen und blieb jenseits des Hochkulturmarktes, der sich damals mit Verwaltungsfähigkeit und Geld „den Weg in die Bewegung kaufen“ wollte. Seine Bewegung wurde Pop.
Es ist nicht zuletzt der Verdienst seiner gestalterischen Innovationen, daß die Firma Mo’Wax auch bei Halbhippen als stets coole Adresse gilt. Denn das Auge hört natürlich mit und und es ist aus der erinnernden Vorstellung verschwunden, daß dieses Label mal komischmützigen Acid Jazz verbreitete.
Auf dem Tisch im Fernsehturm liegt ein weiterer Gestaltungshöhepunkt: ein limitiertes, irrsinnig chic aufgeblasenes Paket „for promotion only“, in dem neben einer 5 inch Single, einer nach Matel aussehenden Futura-Skulptur samt Waffen und ultragekonntem Pipapo auch die neueste U.N.K.L.E-Platte zu finden ist. Und die Musik scheint nebensächlich zu werden. Auf die Frage, ob der Künstler die Musik mag, grinst er sich mit einem indifferenten „Ich kenne nur drei oder vier Stücke davon“ durch.
Ich muß nicht so sehr mögen, was jemand macht, sondern wer es ist. Ich arbeite nicht für jemanden, ich arbeite mit jemandem, basierend auf Vertrauen und Verständnis. Ich mache keine Jobs für Geld.
So ist der Wunsch: Keine Ziffern, nur Gefühle. So wie er über seine Hauptbeschäftigung der letzten Jahre spricht, über die Arbeit an seiner irrsinnig ausgebauten Internet-Seite (www.futu ra2000.com). „Die Zeit der Leute ist meine Bezahlung.“ Das ist der Respekt, sich etwas anzugucken und ziemlich lange dafür zu brauchen. Und das komplizierte Leben und Details seiner Kindheit so ernst zu nehmen wie die Entscheidungen, die daraus folgen.
Wie seine sympathisch-realistische Einschätzung, daß die gefährlichen und riskanten Zeiten für ihn vorbei sind, und daß trotz aller Kapitalismuskritik auch Geldtransaktionen mit Respekt passieren könnten.
Was mich angeht: Ich mag keinen, dem es nur ums Geld geht. Ich hasse sie, die agressiv kapitalistischen Leute. Wir haben jetzt einen Laden in New Yorkwir machen Geld. Aber wir arbeiten dafür, wir verdienen es. Wir versuchen nicht, aus irgendwas Kapital zu schlagen, irgendjemanden auszunutzen. Es passiert mit Ehrlichkeit, Geduld undja, wahrscheinlich Liebe.
Das ist die komische, sanfte amerikanische Art des Dealens mit den bösen Verhältnissen. Als ob gut gemeint so gut gemacht heißen könnte. Und Lavelle, Mo’Wax und Futura, wie die Beastie Boys und Grand Royal plus all die anderen verbandelt eines gemeinsam: Sie sind unter der kritischen Poplinse betrachtet zu alt, zu weise, zu gesch.ftstüchtig, einflußreich und mächtig. Richtig an den Hebeln der gehobenen Jugendökonomie, die so wichtig geworden ist wie nie zuvor.
Aber man glaubt ihnen, was sie sagen, da sich niemand ein Image einfach nur zurechkonstruiert zu haben scheint. Die Welt ist okay damit. Die Biografien sind erlebt und eine Kritik kann sich nicht einfach davor stellen. Aufbauend auf seine Erfahrungen als Teil der „Philly Blunt“-Shirt-Macher GFS hat Futura die Collaborate Design Group Home Base „Project Dragon“ mitbegründet.
Sie produzieren, was sie wollen: Mode, LiebhaberInnen-Modelle von Flugzeugen bis zu Frankensteins, und als Haupteinnahmequelle Grafikdesign. Und sie stehen im Leben, im Ausgehen, in Gruppenzusammenhängen, die um Coolness wissen.
Natürlich können wir anderen Leuten helfen, eine Ebene zu erreichen, wo sie vielleicht hin wollen.
Leute, die keinen Zugang zu den Geräten haben, die wir haben. Jemand, der zum ersten mal Aufkleber machen will oder der fragt: ich habe ein Design und will ein T-Shirt machen. Mit unserer erweiterten Familie von Leuten in New York bringen wir jüngere Leute rein, die ins Büro kommen und geben ihnen die Gelegenheit, was zu produzieren. Oder was für sie zu produzieren. Du hast das Geld nicht, wir treiben es für Dich auf. Wie eine Bank ohne Interessen.
Was als Kapitalisierung von Jugendkulturen beschreibbar ist, stellt genauso ein funktionierendes Netzwerk und konkrete Umverteilung dar.
Futura versucht, als Gewinner das besser zu machen, was er am Grafitti-Boom der 80er kritisierte.
Zu Beginn war es interessant, aber am Ende nur noch traurig, niemand unterstützte es wirklich. Es war süß, es war so was wie: ‘die Kinder, sie haben so eine Energie’. Niemand kümmerte sich um die Kunst. Niemand kümmerte sich um die Menschen.
Es ist vielleicht symptomatisch, daß sich Herr 2000 für die Zukunft vorstellen kann, Filme zu machen, seine bisher starren Charaktere auszubauen und ihnen Namen und eine Geschichte zu geben. Er will beim Machen bleiben und neue Wege ausprobieren, und das Neue ist, entgegen aller Trends zur Abstraktion, ein Zurück zur Erzählung.
Die schrecklichen 80er waren Futuras unerfreuliches Jahrzehnt, obwohl so aufregend mit Bewegung verbunden. In den 90er wandelte sich das Produktionsprinzip medial, weil das Internet als Öffentlichkeit so attraktiv schien und Computer so ein easy Produktionsmittel. Aber jetzt gibt es eine wichtigere Geschichte.
Vergiss die Kunst, vergiss Grafitti, das ist nichts.
Was real ist, ist meine Familie. Die meisten haben eine schlechte Erinnerung an die Eltern und das Zuhause. Ich versuche das Beste für meine Familie zu machen.
Herr 2000 hat seinen Frieden gefunden. Privat und trotzdem cool aussehend.
Ende 1998/Anfang 1999 erscheint Futuras Buch bei Mo'Wax-Arts.
Reproduced-Art-Tour mit FUTURA 2000 (New York ) und MAROK (Berlin), ab Ende September in Berlin, Hamburg, Köln, Frankfurt und München