Primärfarben anscheinend verboten
JÜRGEN KISCH VS. LOUIS NUTRI
18.7.-9.8.98
Parabolic Spaces, Berlin
GEMALTE KLEINODE vor denen sich selbst Sofas schaudern, muß man lange suchen. Der Frankfurter Jürgen Kisch hat ein beachtliches Faible für Muff.
Wahrscheinlich war außer den neunzigern nichts so muffig wie die fünfziger Jahre in Deutschland. Wer sich so konsequent auf Abwege begibt wie er, kann schlecht unmittelbar in der Gegenwart im Trüben fischen gehen.
Die Konsequenz seiner Bilder ergibt sich eben nicht aus flüchtigem Stil-Zapping, sondern anscheinend aus einer andauernden mentalen Zeitreise, die sich in dem selten gewordenen Wahrnehmungsgefühl „intensiv“ äußert. Mission wäre fast präziser für seine ästhetischen Anliegen, die das Gestaltungsloch der Fünfziger zudem noch zwischen abstrakt und Figuration reaktivieren möchten. Eigentlich ganz einfach, einen angefangenen Menschenkopf, amöbenartig weiterwuchern zu lassen, wenn nicht schon hunderte Kunstleistungskursler das Sujet versaut hätten.
In den „parabolic spaces“ in der Schlegelstrasse, sonst Veranstaltungsort von Loop, mufft es einem beträchtlich entgegen, umsomehr als sich hier massiv staubiges DDR-Raumflair noch dazwischendrängelt.
Die Bildoberflächen wirken durstig, als wären sie dankbar für einen Schluck Wasser; die Farben scheinen matt versackt durch zahlreiche Schichten und Stunden, vielleicht auch vom Anstarren bei der Fehlersuche.
Es gibt doch Maler, die gucken ein Bild zwei Jahre nur an und es wird besser. Daß manche Bildlösungen schonungslos baden gehen, ergibt sich aus der beschriebenen Konsequenz von Kisch, auch gerade mißratene Bildattitüden der 50er aufzugreifen und bis zum bitteren Ende zu verfolgen. Der duffe, gedeckte Farbmodus der Bilder läßt sich vielleicht auch zeithistorisch damit erklären, daß in den fünfziger Jahren Persil noch gar nicht richtig weiß waschen konnte.
Komisch ist weiter, mit welcher Sicherheit man vorschnell zum Urteil kommt, daß eine Position wie diese im Kunstgeschehen mutmaßlich einen ziemlich schweren Stand haben dürfte. Dieses kennerhafte Kunstanschauen mit drei Schritten und zwei Blicken durch den Raum ist das Letzte.
Manche Bildfindungen von Jürgen Kisch, der sich zur Zeit. auch Luis Nutri nennt, wirken teils wie pinselverschwommene Magrittemotive auf knirschigem Sandpapier, teils wie ungeglättetes Bildgut eines Bacon, bevor er knapp posterkompatibel wurde. In puncto hartnäckig errungene Bildlösungen kann man auch an Bruno Goller denken, auch wenn den kaum noch jemand kennt.