Todesenthusiasten

EMOTIONS & RELATIONS
Zeitgenössische amerikanische Photographie
Nan Goldin, David Armstrong, Mark Morrisroe, Philip-Lorca diCorcia, Jack Pierson
Hamburger Kunsthalle 27.3.-1.6.98

EIN TRAUM VON LIEBE UND TOD
Der Symbolismus in England 1860-1910
Hamburger Kunsthalle 21.5- 30.8.98

KNOSPENDE Rosenblätterlippen. Nackte Schultern in sanften Farben. Blicke schweifen müde in die Ferne. Sehnsuchtsvoll. Wenn man an das Wort glaubt. Letztlich saugt uns die Melancholie ein und wird kurz wahr - in der Hamburger Kunsthalle.

Die Lippen gehören Elisabeth Siddal oder Alexa Wilding, Namen von Damen, die keiner mehr kennt, von denen landläufig nur wenig mehr bekannt ist, als: sie waren Gattin bzw. Geliebte Rosettis. Dem präraffaelitischen Maler Gabriel Dante Rossetti, der angetrieben vom einzigen überzeugenden transzendierenden Schmerz malte, welchen er in der Liebe vermutete oder in dem, was die Illusion von ihr aus ihm zu machen im Stande war. Die reale Physis seiner Modelle verschwimmt im manischen Traumbild Rosettis in eins. Zu einer Frau, der Frau, die Rossettis Todessentimentalitäten zweck- und zeitmäßig illuminiert.

Die selbstvergessene, abwesende Passive, aber immer ‘erotische’ Frau.

Die Requisiten dieser Bilder entstammen dem Mittelalter-verliebten Symbolismus und dem Innerlichkeits-Schatz der Romantik. Rossetti holt in obszön-opulenter Geste aus: Rosenblüten, bloße Brüste, byzantinisches Geschmeide, Honeysuckle, - und verebbt in pietistischer Friedhofserotik.

Verschenkte Virtuosität - Rossetti kreist um die Leere seiner Begierden. Von außen besehen führte die Gruppe der Präraffaeliten ein wildes Leben: Drogen, Wohngemeinschaft, Partnertausch und - für damals - ordentlich verruchte Bilder.

Leben entlang der Grenze, die Ekstase und Verfall scheidet wie verbindet. Es scheint zum Repertoire einer solchen Vita zu gehören, daß der Tod des geliebten Objekts eintreten muß, damit der Künstler sich produktiv an ihm berauschen kann. Elisabeth Siddal, treue Gefährtin Rossettis, tat ihm den Gefallen und verschied jung im Laudanumfieber. Mystische Komplizenschaft mit dem Tod...

SCHWELLENDE Lippen auch andernorts: In der Photoausstellung Emotions & Relations in der Galerie der Gegenwart.

Diesmal grell geschminkt an androgyne Leiber geheftet. Transensex, Strichersex, Sex in allen Variationen.

Verkörperte Hoffnung, die fetischisiert zum Ruhm führen soll. Schmerzensblicke, die auf eine andere Welt warten.

Todesenthusiasten. Auch hier werden Leerstellen umkreist. Bis dahin vertreiben wir uns die Zeit mit kiffen, ficken, fernsehen. Bostoner Kunstschule besuchen.

Der Körper ist der Einsatz, der sowieso erbracht werden muß, Transit einer Todessehnsucht, die sich hier noch einmal verzweifelt an die Vitalität einer Jeanswerbung heftet.

Philip-Lorca diCorcias junge Stricher liegen hingegossen auf dem Pflaster des Santa Monica Boulevards. Irreales Lichts illuminiert ihr heldenhaftes Elend: „Hollywood für jedermann!“ steht an einer Stelle im Katalog. Die Polaroids von Mark Morrisroe zeigen verklärte Jungmännerposen in weichgezeichnetem sfumato, meist Selbstportraits, die sich zu einem Tagebuch fügen bis zum eigenen Tod. Einschreibungen in den Körper, selbst oder durch andere. Es ist der Versuch Autorenschaft über das eigene Leben zu erlangen und dessen Grenzen am eigenen Körper zu erfahren. In ekstatischer Trance zelebrieren Morrisroe und seine Freunde die eigene Endlichkeit.

De Sade bemerkte einmal ‘Es gibt kein besseres Mittel sich mit dem Tod vertraut zu machen, als ihn mit der Vorstellung einer Ausschweifung zu verbinden.’Wissen um die eigene Ohnmacht, ein leises Aufbegehren löst sich im Licht der Dämmerung auf. Eine Schwalbe schwingt sich über die Brust, tätowiert ,...ein Gesicht verliert sich im Wasser... Morgennebel .

Starship 1: Just what is it that makes today's Berlin so different, so appealing?
  1. Editorial #1 Starship
  2. Moontrip Ulrich Heinke
  3. Und täglich grüßt das Murmeltier Ariane Müller
  4. Golfen Katja Eydel
  5. ...ein guter Satz aus Zufall, meinetwegen! Michaela Eichwald
  6. Letztens hat mir mein Freund U. Judith Hopf
  7. Joan Semmel, Sylvia Sleigh, Audrey Flack Antje Majewski
  8. Ein schönes und intelligentes Ambiente Stefan Römer
  9. The Terror Starship Florian Zeyfang
  10. Wer ruft das Off von außen ? Ariane Müller
  11. gentrifikation / nullpunkt / broken windows* Nicolas Siepen
  12. „Die Beute“ - Relaunch Sabeth Buchmann
  13. Woher man denn kommt Isabelle Graw
  14. SituationistInnen und andere ... Katrin Pesch
  15. Immer noch Jim Dines Mülleimer Gunter Reski
  16. Futura 2000 Axel John Wieder, Christian Flamm
  17. Der NINA TEMPEL und HUCKS HAUS Elke aus dem Moore
  18. Primärfarben anscheinend verboten Gunter Reski
  19. Todesenthusiasten Petra Langemeyer, Heike Munder
  20. May 98 Kyron Khosla
  21. Was, wenn es Wirklichkeit wird ? Elisabeth Hautmann
  22. Grammatik: Schwierigkeiten bei der Anwendung des besitzanzeigenden Genitivs Frank Frangenberg
  23. Das Ende Mussolinis Linda Bilda
  24. Nutzen & Co Gunter Reski
  25. Domination and the Everyday Ulrike Müller
  26. Gegen Grenzproduktion in der Festung Europa
  27. Radek Oleg Kireev
  28. Polonia Express Tibor Varnagy
  29. Flauberts frühe Fickgeschichten Fabian Reimann
  30. Aus Alzheimer Helena Huneke
  31. Hallo neues Vorbild Gunter Reski
  32. Einige Fragen beim Lesen von Henry James Francesca Drechsler
  33. 100 Jahre Merve Hans-Christian Dany, Peter Gente, Heidi Paris, Ulrich Dörrie
  34. Reise mit Fragezeichen zur Minus 96 ins Ahornblatt nach Berlin Barbara Schüttpelz, Stephan Dillemuth
  35. Ich fühle daß mein Glück Kerstin Kartscher
  36. Jeder Mensch, der ein Bier falten kann, ist ein Künstler Ran Huber
  37. knife under pillow Phil Smith
  38. what's in the pantry today ? Massimo Richter
  39. Stirbt der Mensch als Künstler Dany Müller
  40. Anmerkungen zu Henry Bond Starship
  41. You're next Cathy Skene
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