Woher man denn kommt
Global Colorit Herausgegeben von Ruth Hoffmann und Mark Terkessidis
Hannibal Verlag, 1998
IM GRUNDE GENOMMEN ist es eine Grundthese, die dieses Buch mit großer Eindringlichkeit zu vermitteln sucht: Daß es weder feststehende Identitäten, noch klar umrissene Ethnien gäbe. Gegen den weitverbreiteten Glauben einer "kulturellen Andersheit" anzugehen, ist zunächst einmal lobenswert, auch angesichts der letzten WM, wo sämtliche Spielarten des Rassismus zwischen Differenz-Rassismus und kruden Biologismen fröhliche Urstände feierten, allerdings im Rahmen des Fußball. Angesichts der Beobachtung, daß die als rassistisch analysierten Kommentare der Sport-Moderatoren durchaus Unterhaltungswert besitzen, stellt sich jedoch die Frage, inwieweit jene Position der kritischen Distanz von linken Intellektuellen überhaupt noch aufrechterhaltbar ist. Eine Position, in der die Gegner, wie in "Globalkolorit", immer schon feststehen, mit ihrem angeblich eindeutig verortbaren "hegemonialen Blick". Verkomplizieren würde es die Analyse auf jeden Fall, wenn man die eigene Verwicklung in "klassifizierende Wahrnehmung" berücksichtigte. Die Herausgeber setzen jedoch andere Prioritäten und zwar aus gegebenem Anlaß:
Statt sich dem derzeit beliebten, weil als fortschrittlich geltenden Modell der "hybriden Identitäten" anzuschließen, weisen sie zurecht darauf hin, daß sich Identitäten zwar aus einem Amalgam von Einflüssen speisen, es aber keinen Grund zum Feiern gibt. Von einer euphorischen Verwendung des Begriffs "Multikulturalität" müsse man sich auch deshalb distanzieren, weil in ihr rassistische Subtexte und ökonomische Ungleichheiten ausgeblendet würden. So wenig "neu" diese Überlegungen für Kenner der Postkolonialismus-Debatte auch sein mögen, im Rahmen der deutschen "Multi-Kulti"-Emphase haben sie bislang gefehlt. Ebenfalls zu gute gehalten werden muß diesem Projekt, daß es seine zentralen Begriffe, etwa "Populärkultur" oder "Kultur" sehr genau bestimmt, um sie von ihren üblichen essentialisierenden und undifferenzierten Verwendungsweisen abzuheben: So wird Populärkultur als ein "schwer zu fassendes Gefüge aus Massenmedien, Musikszenen und Subkulturen" beschrieben, das "unaufhörlich Symbole, Stile und Stereotype produziere, montiere und neuinszeniere" und Kultur als ein "dynamischer Prozeß, der sich über die Verdichtung von Machtkämpfen, Verschiebungen und Umkehrungen ständig neu figuriere."
In der Ausführlichkeit dieser Neudefinitionen liegt aber auch ein Problem, das man sich immer dann einhandelt, wenn die benutzten Konzepte von ihren konventionellen Bedeutungen zunächst abgelöst werden müssen: Diese notgedrungen umständlichen Begriffsklärungen wirken sich nämlich auf den Stil der Texte aus. So kann der Eindruck entstehen, daß in zahlreichen Beiträgen methodische Postulate und Vorab-Thesen dominieren, die von der Auswertung des Materials dann nur noch bestätigt werden.
Was z.B. über die Zeitschrift "Essen und Trinken" oder "Cosmopolitain" herausgearbeitet wurde, kann man sich auch dann schon vorher denken, wenn man mit diesen Zeitschriften kaum vertraut ist. Daß nämlich Modemagazine mit rassistischen Festschreibungen arbeiten und Exotisierungstendenzen aufweisen oder daß "Essen und Trinken" die ausländische Küche feiert, um den Ausländer auf bestimmte Eigenschaften festzulegen und dies in einer völlig entpolitisierenden Art und Weise geschieht, überrascht eigentlich wenig. So vorhersehbar diese Thesen auch sein mögen:Die Auswahl der Autoren ist es um so weniger. Hoch anrechnen muß man "Globalkolorit", daß statt der üblichen Verdächtigen - jene anglo-amerikanischen Koriphäen, die den Bereich "Postcolonial Studies" dominieren - VertreterInnen der sog. Migrantenkulturen (Imran Ayata, Deniz Göktürk u.a.) eingebunden wurden.
Es sind deren Erfahrungsberichte, die das Anliegen des Buches am überzeugendsten formulieren: Wenn die in Australien lebende Jen Ang ihre Erfahrungen als "asiatische" Frau treffend als "ambivalent" beschreibt, dann kann eigentlich niemand mehr an dem Konzept einer "reinen Migrantenkultur" festhalten. Ebenso läßt sich eine Beobachtung wie die, daß sich diasporische mit kosmopolitischen Einflüssen überlappen anhand von Kleidungsstilen asiatischer Jugendlicher in London sofort plausibel machen. Auch die Einsicht, daß Rassismus heute wenig offensichtlich und eher versteckt funktioniert, erfordert eine besondere, mikrosoziologische Aufmerksamkeit für Unterschwelliges und Subtilitäten. Denn schon die Frage, woher man denn komme, ist Jen Ang zufolge niemals unschuldig. Wenn diese Form der Rassismus-Forschung durch Globalkolorit angeregt würde, oder wenn sich ein kritscher Multikulturalismus-Diskurs in Deutschland überhaupt erst einmal aufbauen würde, dann hätte man abzuwägen und die theoretischen Defizite wögen gering.