No-90ies
In jeder subjektiven Lesart platziert jede Zeit jede Person, die durch sie hindurchgeht in die ihr eigene biografische Zeit, in ihr Alter, in weitere Anekdoten, persönliche Geografien, und alles andere Erlebte („Da war ich gerade erst sechzehn!“). Darüber hinaus stattet sie (die Zeit) die Menschen aber noch mit einem Umfeld aus, einer Sprache, einem Setzkasten an Konzepten, einer Farbe, kollektiven Erlebnissen, einer Vergangenheit und einer Futurologie und ihren eingebetteten Versprechen, die der jeweiligen Zeit zuzurechnen sind, kollektiv erlebt werden, und die zum Beispiel diejenigen ganz gut ermessen können, die in ihren einstmals geschriebenen Texten mit einem leichten Grusel das N-Wort* wiederfinden.
In den Geschichtswissenschaften ist das Vorhandensein von Zeitzeugen ein Erkennungsmerkmal der Zeitgeschichte, obwohl manche Historiker, die heutigen Aufzeichnungsmöglichkeiten mehr trauen als den älteren Formen der Überlieferung wie Erzählen und Aufschreiben, das Konzept der Zeitzeugenschaft um eine Technologiediskussion erweitert haben. Die Zeitzeugen sind den Geschichtswissenschaften jedoch nicht immer ganz koscher; die Menschen machen sich erzählend kleiner und größer, dicker und dünner, jünger und älter, und sie können sich auf jeder Ebene ihres Bewusstseins, in einer Art biografischer Bildhauerei, von ihrem Erzählten selbst überzeugen. In den ungünstigen Konstellationen, wenn die verfügbaren Dokumente sich der Erinnerung in den Weg stellen, kann in der Auskunft gebenden Person ein Mechanismus in Gang gesetzt werden, der dazu führt, dass die spezifische, oft sehr kleinteilige Erinnerung wie das Kernstück der Subjektivität verteidigt wird („Ich weiss genau, dass ich das hierhin gelegt habe. Ich bin doch nicht ganz blöd.“). Dieses bei der Verhandlung zwischen Subjektivitäten möglicherweise notwendige Muster führt bei der Konfrontation mit außerhalb der Subjektivität liegenden Fakten und Materialien zu verblüffenden Ereignissen. So kennt wahrscheinlich jeder die Materialisation in genauen Bildern des unmöglich Erinnerbaren in Form von klar einem vor Augen stehenden Dokumenten, die es nie gegeben haben kann („Ich weiss genau, dass ich das hierhin gelegt habe! Ich seh’s vor mir!“).
Deshalb gilt das Verschwinden von Zeitzeugen (ich folge hier Wikipedia) als eine der Grundlagen einer einsetzenden Historisierung, also der Trennung von Zeitgeschehen und Vergangenem. Um hier noch weiter zu zitieren, wird das Historisieren eines Vorgangs darüber bestimmt, wenn der Vorgang nicht mehr aus der Zeit, deren Parteinahmen, Wünschen und Vorstellungen erklärt wird, sondern seine Betrachtung auf „abgeklärtere“ Weise geschieht.
Dem kann man jetzt folgen oder nicht, aber damit es überhaupt einen Sinn macht, bei der Betrachtung von etwas Vergangenen von einer Historisierung zu sprechen, müsste dieser Vorgang jedenfalls von einer subjektiven Erinnerung, oder von einem Wiederaufgreifen für eine aktuelle Verwendung, oder von einer Herleitung der eigenen leidenschaftlichen Vorhaben abgegrenzt werden. Wenn sich in einer Diskussion aber viele mit Vorbehalten und anderen Interpretationen, die sie auf ihre Zeitzeugenschaft stützen, zu Wort melden, dürfte es sich um etwas anderes drehen als um eine Historisierung.
Das ist der erste Eindruck, der sich aus den Diskussionen, Texten und Besprechungen rund um die Ausstellung to expose, to show, to demonstrate, to inform, to offer; Artistic Practices around 1990 im MUMOK in Wien ergeben hat.
Obwohl also der Begriff der Historisierung, sowohl in dem begleitenden Symposium (Historisizing the Avantgarde), als auch in vielen der erschienenen Besprechungen häufig fiel, sah es irgendwie nicht so aus, als wären die Bedingungen, also eine Beschäftigung „sine ira et studio“, dafür in irgend einer Weise günstig.
Was wäre es denn gewesen, das in dieser Ausstellung historisiert hätte werden können?
Zum einen hätte es um die Bewegung einer kleinen Gruppe an Künstlern und Künstlerinnen gehen können, von denen der Großteil der gezeigten Arbeiten in dieser Ausstellung stammte. Diese Leute hatten in einer relativ kurzen Zeit, zwischen 1987 und 1993 in einer schnellen Folge an Ausstellungen (und in Zeitschriften und Publikationen), deren hauptsächliches Publikum sie wiederum selbst waren, eine Reihe an formalen und inhaltlichen Fragen und Behauptungen formuliert, deren gemeinsames Ziel sich durch die Ausstellung im MUMOK und in den wiederaufgelegten Publikationen auf einen gewissen Nenner bringen lässt, der in ungefähr so zu umreißen wäre: Ich als Künstler / Künstlerin definiere, was Kunst ist, nicht die Kunstwissenschaften, Kritiker, Kuratoren oder Museen, und das wiederum gibt mir die Möglichkeit, all das zu Stoff werden zu lassen, wofür ich mich interessiere (Gay Politics, Politics, Biotechnologie, Musik oder eben auch Kunstgeschichte). Das heißt, ich mische mich auch in alle kunstumgebenden Felder: Kunstgeschichte, Ökonomie, Ausstellungskonzeptionen, Museumsrepräsentation und auch Ausbildung, da sie die Ausübung meiner Tätigkeit beeinflussen, und überlasse das eben nicht einem Apparat, der in der Vergangenheit meine Interessen in keiner Weise zum Ziel hatte (wessen Interesse denn sonst war ein Thema der Diskussion), oder einem Publikum, dessen warenförmiger und konsumierbarer Vorstellung von Kunst von Generationen von Kunsthistorikern die Basis geliefert wurde. Vielleicht finde ich so ja auch noch ein anderes.
Man kann davon ausgehen, dass sich die meisten der gezeigten Künstler und Künstlerinnen gut kannten und intensivst oben Genanntes so lange verhandelten – wofür es mit Köln und New York auch die notwendigen Orte und die notwendige Dichte gab – bis sich anscheinend die gemeinsame Grundlage in irgendetwas völlig anderes aufgelöst hatte, sodass, als später Widerhall dieses Auseinanderbrechens, es sicherlich nicht unsymptomatisch ist, dass einer der Beteiligten, aus Angst vor einem Wiedersehen mit all den verinnerlichten Gespenstern dieser Zeit, die Woche vor der Ausstellungseröffnung im MUMOK nicht mehr schlafen konnte. Dieser Bruch muss ungefähr 1993 oder 1994 erfolgt sein. Solche Ausstellungen gab es dann nicht mehr, und zwar deshalb, weil sie nicht mehr von allen gesehen wurden, was ja sozusagen die methodische Voraussetzung dieser Ausstellungen war.
Macht nun eine Gruppe von KünstlerInnen, die am Gleichen und manchmal fast voneinander ununterscheidbar Selben arbeitet, mit dem Ziel der Erneuerung, Erweiterung oder Veränderung der Kunst und des sie umgebenden Felds eine Kunstrichtung aus? Ja, ich denke die Kunstgeschichte würde das bejahen (z.B. die Dadaisten, Aktionisten, die phantastischen Realisten, alles historisierte Kunstbewegungen, die sich teilweise die Jahre teilen, aber nicht die Ausstellungen).
Man könnte hier also durchaus (und vielleicht notwendig) eine Vorgehensweise und ein Konzept in der Kunst historisieren. Das Interesse der Kunsthistoriker ist jedoch allenthalben anscheinend nicht groß genug. Galeristen reißen sich auch nicht um das, was davon in Werken gefasst ist. Nur wenige Arbeiten sind permanent in einem Museum zu sehen. Es gibt ja nicht mal einen Namen (Peter Weibel nannte diese Kunstrichtung in einer ersten Retrospektive 1994 Kontext Kunst. Beliebt wurde der Titel nicht). Auch die Diskussion, oder die Rezensionen rund um die Ausstellung im MUMOK bezogen sich fast nie (mit Ausnahmen) auf die heutige Aussagekraft dieses Großteils der gezeigten Arbeiten und auf die Relevanz des künstlerischen Ansatzes.
Oder, wie es von einem Beteiligten formuliert wurde: Jetzt hat man es grad mühsam im Keller zusammen gesucht, und jetzt kommt es gleich wieder da runter.
Was aber könnte man sonst historisieren, wenn nicht diese Kunstbewegung? Die an die Ausstellung geknüpfte Diskussion sagte deutlich: Die 90er Jahre! Was ziemlich verwunderlich ist. Zunächst kommen ja die 90er Jahre im Titel der Ausstellung, die von einer Zeit rund um 1990 spricht, genauso vor oder nicht vor wie die 80er Jahre. Sie kommen aber vor allem in der Ausstellung nicht vor, 1987–1994 markiert den Zeitrahmen, und der Titel bezeichnet eine bestimmte Methodik. Wieso man also in einer Diskussion zunächst willkürlich einen anderen Zeitrahmen und einen anderen Kunstbegriff aufreisst, um dann zu reklamieren, dass dieser eben nicht gezeigt wird, ist zumindest verblüffend.
Zum Beispiel schreibt eine Besprechung, dass die Geschichte des gebrochenen Versprechens, das in der Immaterialität des Netzes angelegt war, etwas zum Verständnis der Arbeiten beitragen würde und in der Ausstellung fehlt. Aber, um 1990 gehörte das Internet nicht zum täglichen Erlebnisraum der Künstler. Argumentierbar wäre, ob es das Ende dieser Kunstrichtung markiert, die ja so auf engsten Austausch angelegt war.
Das einzige Ziel, das diese Ausdehnung eines recht klar umrissenen Kunstbegriffs auf einen schwammigen Dekadenbegriff offensichtlich verfolgt, ist es, die beteiligten KünstlerInnen durch erst viel später entstandene Arbeiten Anderer zu entwerten. Anders kann ich mir nicht erklären, wieso einer Kunstrichtung, die sich explizit immer mit Museumsrepräsentation beschäftigt hat, nun der Vorwurf gemacht wird, für Institutionsverweigerer nun ganz schön zufrieden im Museum angekommen zu sein. Ja, in den späteren 90er Jahren mag es Leute gegeben haben, die sich aus dem Kunstbereich herausbewegen wollten, aber die KünstlerInnen rund um 1990 wollten eben ein anderes Museum, eine andere Kunstgeschichte, mit anderen Themen, für die sogar eine eigene Historisierung betrieben wurde, in der z.B. die Art Workers Coalition als Museumstheoretiker auftauchten. Klar sieht das nun gut aus im Museum, und zeigt nebenbei, dass eine größere Komplexität durchaus nicht stört.
Die Crux der meisten Kritiken und Diskussionstexte liegt darin, dass partout die Erlebnisdichte einer ganzen Dekade und all ihrer ZeitzeugInnen in eine einzelne methodische künstlerische Vorgehensweise und eine dermaßen kurze Zeitspanne, an den frühesten Anfängen dieser Dekade, eingeschrieben werden muss. Ist es nicht umgekehrt so, dass diese Erlebnisdichte erst durch diese Kunstbewegung rund um 1990 ermöglicht wurde, indem vielen, ein wenig später Geborenen, der Einstieg in das Kunstfeld erst ermöglicht wurde. Im Gegensatz zu der eben davor liegenden Zeit, gegen die sich um 1990 diese Kunst formierte, in der nur ganz wenige Vorgehensweisen und Themen überhaupt ausgestellt wurden und der Zugang für fast alle versperrt war, die von einem gewissen Künstlerbild abwichen.
Die Besprechungen und Diskussionen aber vertauschen Ursache und Wirkung und beschreiben die Text- und Zettelwüste der 90er Jahre, ohne zumindest einzugestehen, dass die völlig neue Form von Zeitschriften, die ab Ende der 80er aufkamen und von KünstlerInnen geschrieben und herausgegeben wurden (wie zum Beispiel Fahreed Armalys Terminal Zone), zwar zum einen in den folgenden Jahren zu einer großen Anzahl an Magazinen geführt hat (deren Unübersichtlichkeit man jetzt beklagen kann), zum anderen aber auch eine neue Art über Kunst zu reflektieren, beinhaltete, eine Form, die nicht mehr, wie früher, entweder journalistisch oder akademisch war, sondern die aus der Kunst geschrieben wurde, und die nicht zuletzt dadurch viele der Zeitschriften, in denen nun heute diese Besprechungen erschienen sind, grundsätzlich mitbestimmt hat. Nicht zu vergessen, alle die Künstler und Künstlerinnen, die ab 1993 anfingen, sich überhaupt mit Text zu befassen, gerade weil eben eine Gruppe von Leuten, die sich damit um 1990 im Kunstbetrieb nicht gerade beliebt gemacht hatte, dieses Feld konsequent für sich und die Kunst geöffnet hatte.
Wie konnte überhaupt der Eindruck entstehen, die Kunst um 1990 wäre, wie das sogar in einer begleitenden Veranstaltung des MUMOK beschrieben wird, in einem diskursiven Umfeld entstanden, in dem „kritische und widerständige Mikrogemeinschaften erstrebenswert erschienen“ – im Text heißt es weiter, dies sei ein Ansatz, der von einer heutigen Generation nur mehr "schizophren nachsichtig" betrachtbar wäre.
Mit aller umgekehrt gebotenen Nachsicht Uninformierten gegenüber, muss man doch darauf hinweisen, dass die Kunst um 1990 sich in den 80er Jahren formulierte, im Umfeld eines zynischen, politischen Inhalten völlig abgeneigten Kunstmarkts, der auch finanziell gesehen das einzige Gegenüber war, denn es gab eine weitaus geringere Förderstruktur, und schon gar nicht von politischen Inhalten. Keiner dachte an Mikrogemeinschaften.
Aber man suchte nach Personen und Orten, die diese neue Kunst, die stärker der Lebensrealität von Künstlern, ihren finanziellen, sexuellen, und politischen Täglichkeiten, entsprechen sollte und die vielleicht weniger mit der Lebensrealität von Sammlern und deren Lagermöglichkeiten und Repräsentationsbedarf kompatibel sein würde, in eine andere Historizität einbetten könnten, und so stieß man auf Mikrogemeinschaften wie das Food Restaurant und man stieß auf Aktivisten, auf abseits des Kunstmarkts agiert habende KünstlerInnen, und man zeigte das einander, diskutierte es, stellte es aus, und schrieb darüber. So entstand die Kunst um 1990, und die in ihr vorgenommene neue Historisierung von zuvor in der Kunst überhaupt nicht verhandelten KünstlerInnen, Bewegungen und Lebensentwürfen, von Tom of Finland (der erstmals in Europa im Friesenwall ausgestellt wurde), über die Situationisten, zu afroamerikanischer Musik, oder Seth Siegelaubs Kontrakten für die Arbeit von Künstlern, bis hin zu The Female Clause (oder der weibliche Weihnachtsmann – wieder V-Girls) bildete die Basis dafür, dass sich in den 90er Jahren dann so ein großes Feld an weiteren künstlerischen Forschungen und Projekten entwickelte, und nicht zuletzt, dass jede(r) einzelne(n), der (die) heute arbeitet, sich nicht mehr mit der Borniertheit eines offiziellen Kunstbegriffs herumschlagen muss, der noch 1993 (als eigentlich schon alles fast vorbei war) ein Ansuchen um eine Förderung mit den Worten beschied: "Der Krieg in Jugoslawien ist kein Thema in der Bildenden Kunst".
Natürlich stellte es um 1990 ein beträchtliches Risiko dar, sich in diese Opposition zu dem Kunstfeld zu stellen, und die Entscheidung, sich in und mit der Dandy Haltung, zu der die 80er Jahre erzogen hatten, absichtlich (verhöhnte) feministische oder antikapitalistische Positionen einzunehmen, erscheint mir recht ähnlich zu heute, wo man ohne marktvermittelbare Kunst auch nicht ganz ernst genommen wird – mit dem Unterschied, dass heute eben weitaus mehr und subjektivere Ausdrucksmittel möglich sind. Das erklärt vielleicht auch die Cliquenhaftigkeit dieses Kreises, dieses gemeinsame Herausbringen von zwei oder drei Galerien – und auch hier verwechseln viele Diskussionbeiträge Ursache und Wirkung; nicht das MUMOK stellt nur zwei Galerien aus, die KünstlerInnen sammelten sich um diese Galerien. Denn kaum setzte man einen Fuß aus diesem Kreis heraus, schlug einem der Wind des Establishments ins Gesicht. (Ich besitze noch eine Postkarte – Postkarten, das übliche Kommunikationsmittel um 1990 – die mir Robert Fleck mal gab, auf der stand: "we won't show Nagel artists", die er von den Ausstellunsgorganisatoren zurück bekam, für die er Kurator war). Dies änderte sich nach 1994, sicherlich auch, weil viele der beteiligten KünstlerInnen zu unterrichten begannen. Im übrigen kämen viele der KünstlerInnen um 1990 in einer Besprechung der 90er Jahre kaum mehr vor. Die wenigsten organisierten sich in Gruppen, fast keiner betrieb ein sogenanntes Projekt, und auch in den Themenausstellungen findet man die Namen nicht mehr. Die 90er Jahre waren für sie ein verbranntes Feld und das aus dieser Zeit entstandene Misstrauen, und teilweise auch Verachtung füreinander, hat nach 1995 auch nie wieder zu einer gemeinsamen Ausstellung geführt (evtl., und schwierig genug, 2003 in Köln mit Ökonomien der Zeit) – bis nun eben im MUMOK in Wien.
Vielleicht ist es noch wichtig zu erwähnen, dass diese Kunstbewegung nicht mit einer technologischen Neuerung Hand in Hand ging. Alles, was produziert wurde, wurde mit Medien produziert, die es zu dieser Zeit schon lange am Markt gab. Vielleicht ist das Faxgerät die Neuerung der Tage gewesen, aber es war zum Schluss bloß eine gewisse Beschleunigung des Briefs – obwohl damals viel darüber geklagt wurde, wie menschenunmöglich beschleunigend das Fax wirkte. Der mediale Bruch kam später. Für die Kunst um 1990 beschreibt Stefan Dillemuth Information als einen der bestimmenden Begriffe, dieser wandelte sich ab 1994 durch das Internet in etwas völlig anderes. Information war dann nicht mehr über das Ausgehen und sich an Orten gegenseitig Dinge zeigen bestimmt, sondern über das zu Hause vor dem Bildschirm sitzen, und dieses zu-Hause-festgezurrt-Sein, um nichts zu versäumen, hat sich wiederum erst in den letzten Jahren wieder gewandelt, seit man gleichzeitig draußen sein kann, und vor dem Bildschirm Informationen folgt. So ist die Kunst um 1990 möglicherweise die letzte der noch dem alten Künstlerparadigma des ständigen physischen Austauschs folgende Aventgardebewegung. Ab 1995 stand alles unter völlig anderen Gesichtspunkten.
Es erscheint mir, zusammengefasst, ein wenig kleinlich, in der Wahrnehmung der eigenen Konfliktlinien nun auch denen, die das Feld der Artikulation zunächst mal so erweitert hatten, dass man darin selbst zur Stimme fand, irgend eine distinktive Relevanz abzusprechen. In dieser Nicht-Anerkennung, die sich zumeist noch nicht einmal auf die Generation der KünstlerInnen um 1990 bezieht, sondern nur die Verachtung für die eigene Generation zum Ausdruck bringt, findet man aber jede Menge Mitdiskutanten, denen die als anmaßend erlebte Übergriffigkeit der KünstlerInnen rund um 1990 auf ihre Felder – Kunstgeschichte, Kunstkritik, Museumsorganisation – ohnedies immer schon suspekt war.
Die Zitate stammen aus der Publikation, der rund um die Ausstellung formierten Parasite Gruppe, und verschiedenen Artikeln, die anlässlich der Ausstellung erschienen.