Clouds

Being invisible is the new cool?

So, being invisible is the new cool? The other day on the radio, a scientist being interviewed said that the invention of a cap of invisibility, a magic hood was quite possible—it was just a matter of time—diverting the light with the aid of a wire construction around the head… that is cool, no question: Voluntary invisibility. But what about not so voluntary invisibility? This new follow-up of Clouds is about the women of the Beat Generation. Who most people have never heard of. Why is that?
Stephanie Fezer Clouds; Sara Ann Goren, Hettie Jones, 1957, courtesy Hettie Jones
Sara Ann Goren, Hettie Jones, 1957, courtesy Hettie Jones

Nicht existent

Als Gregory Corso, eine der zentralen männlichen Figuren der Beat Generation, 1994 bei einer Podiumsdiskussion gefragt wurde, warum es unter den Beats nur so wenige Frauen gegeben hätte, antwortete er: „Es gab Frauen, es gab sie, ich kannte sie, ihre Familien steckten sie in Anstalten, sie bekamen Elektroschocks. In den 1950ern konnte man als Mann ein Rebell sein, aber als Frauen wurde man von seiner Familie eingesperrt“. Ganz so schlimm war es nicht, ergeben meine Recherchen. Natürlich gab es Frauen – Beat Women. Sie wurden nicht alle in Anstalten gesteckt, und sie waren nicht alle wild und kreativ. Manche waren nur wild. Manche nur kreativ. Manche waren beides und wurden in Anstalten gesteckt.

Viele verdanken ihre Unsichtbarkeit denselben ineinandergreifenden Faktoren. Die Männer, die sie nicht haben hochkommen lassen, sind einer davon. Ein anderer: die vorherrschende Moral und die mageren Möglichkeiten, die eine junge Frau in den 1950ern und frühen 1960ern hatte.

Man könnte an dieser Stelle ein paar dieser Frauen nennen, um sie sichtbarer zu machen: Diane Di Prima, Joyce Johnson, Elise Cowen, ruth weiss (die sich bewusst mit Kleinbuchstaben schrieb), Hettie Jones, Denise Levertov, Joanne Kyger, Lenore Kandel … Oder die, die nicht schrieben, die aber stets dabei waren und der Beat Generation wichtige Impulse gaben (so wie ja auch Neal Cassady, den Kerouac oder Ginsberg als ihren „secret hero“ verewigten, nicht selber kreativ war). So eine Frau war Joan Vollmer Adams Burroughs. Das ist die, aus derem schrecklichen Ende ein Einzeiler wurde: die Frau, die sich ein Glas auf den Kopf stellte und ihren Mann zum Wilhelm Tell-Schuss aufforderte. Um mehr über Joan zu erfahren, könnte man die Bücher der Beat-Autorinnen lesen, denn sie selber hat nichts hinterlassen.

Autobiographien

Viele der weiblichen Beats haben Autobiographien geschrieben; es gibt ein knappes Dutzend Veröffentlichungen. Viele dieser Bücher sind mehr als reine Zeugnisse, sie ergänzen das künstlerische Werk der Frauen auf gleichem literarischen und konzeptuellen Niveau. Dazu zählen die Autobiographien von Diane Di Prima, Hettie Jones und Joyce Johnson. Die Literaturwissenschaftlerin Larissa Bendel lieh sich für den Titel ihrer Dissertation zu eben diesem Thema einen schönen Satz von Diane Di Prima, der Di Prima auch sehr wichtig war: „The requirements of our life is the form of our art“. Leben und Künstlertum in einem. Meist auch am heimischen Küchentisch.

Gar nicht so erstaunlich, dass es so viele Memoiren aus Sicht der Frauen gab: Das autofiktionale Element – nennen wir es „life writing“, „confessional writing“ oder eben Autofiktion – ist auch in den Texten der männlichen Beats ein konstituierendes Element, schreibt Bendel. Die Frauen gehören zum Kosmos der Beat Generation, die unter dem Mainstreambegriff „Beatniks“, zu einer der ersten großen Subkulturen der Nachkriegszeit wurde. Ihre Gedichte, ihre Romane, ihre Memoiren helfen, auch die berühmteren Beats besser verstehen und einordnen zu können. Alors: Cherchez la femme!

Nicht in der Öffentlichkeit

„Die Frauen“, erinnert sich Joyce Johnson 2014 während eines Panels in New Jersey, „diskutierten ihre Sachen nie. Es war schon komisch, das Schreiben war fast etwas Geheimes“. Johnson war zwei Jahre lang mit Jack Kerouac zusammen. Hettie Jones und Elise Cowen kannte sie von Schule und Studium und lernte durch Cowen, die damals mit Allen Ginsberg liiert war, Jack Kerouac kennen. Und alle anderen New Yorker Beats. Sie war dabei, als der Hype um die Beat Generation durch die Veröffentlichung von On the Road losging.

Tatsächlich hatte sie selber da bereits einen Vertrag für ihren Debütroman in der Tasche – bei dem großen New Yorker Verlag Farrar, Straus & Cudahy. Trotzdem steckte sie während ihrer Zeit mit Kerouac mit dem Schreiben zurück; nicht nur, weil der ihre Schreibmaschine besetzte, sondern auch, weil ihr der Coming-of-Age-Roman, den sie plante, im Vergleich zu für sie epochalen Texten wie The Town and the City, On the Road und Howl zunehmend irrelevant vorkam.

Vielleicht ließ sich Johnson aber auch von der Realität zu sehr einschüchtern – für emanzipierte Frauen, die auf einen Platz neben den Männern pochten, war, wie sie selber später konstatierte, in der überschaubaren Gruppe der New Yorker Beats kein Platz: „Die Männer konnten nicht viel mit forschen Frauen anfangen. Was ich wollte, sagte man mir, das war Sicherheit und sozialer Aufstieg; und das würde ich haben können, wenn ich lernte, meine Klappe zu halten”. Ihr Debütroman Come and Join the Dance wird heute als erster Beat-Roman einer Frau angesehen. Ihre Autobiographie wurde 2010 neu ins Deutsche übersetzt, diesmal mit dem Titel Zaunköniginnen – was erstmal euphemistisch klingt und natürlich emanzipativ gemeint ist. Den Anstoß zu ihrer Autobiographie Minor Characters (Neben- / Randfiguren; 2010 in der edition 5 unter dem Titel Zaunköniginnen neu übersetzt) gab u.a. eine wandgroße Werbeanzeige der Modemarke „The Gap“. Darauf war Jack Kerouac zu sehen – und hinter ihm, unscharf und im Dunklen, eine Frau. Das war sie. Die Frau im Hintergrund. In Minor Characters erwähnt Johnson einige Male, dass ihre Freundin Hettie Jones Gedichte schreibt, die sie niemandem zeigt: „[…] die stummen Gedichte, die Hettie jahrelang in Kisten aufbewahrt…“ Wütend macht sie das vor allem nach dem Selbstmord ihrer Freundin Elise Cowen. Elises an Pound, Thomas und Eliot geschulten Gedichte wurden fast alle von ihren Eltern zerstört, nur achtzig, die meisten davon Fragmente, wurden von einem Freund gerettet und nach und nach veröffentlicht.

Nicht mit den Männern

Diane Di Prima war unter den Beat-Autorinnen eine der wenigen, die nicht nur schrieb, sondern auch veröffentlichte, in den Zeitschriften Yügen oder Kulchur beispielsweise, in dem von ihr selber publizierten Newsletter The Floating Bear, Di Prima trat auch bei Lesungen auf. Aber auch sie war es gewohnt, außen vor zu bleiben und dazu zu schweigen: „Ich wurde natürlich nicht gefragt. Ich fand das nicht komisch, ich wurde oft nicht zu literarischen Veranstaltungen eingeladen, obwohl ich mit allen zusammen an den üblichen Orten publizierte, obwohl ich mit den Männern zusammen die Magazine und die Bücher herausgab, hier und dort mit ihnen in der East Side oder im Village las. Als Frau war ich unsichtbar. Ich nahm das als selbstverständlich hin“.

Ein wiederkehrendes Argument der Männer: Es würde seltsam wirken, wenn die Frauen eingeladen würden, weil sie ja mit ihnen zusammen seien – ein Interessenskonflikt. Davon berichten Jones, Di Prima und Johnson in ihren Texten. Und sicher auch andere (die ich nicht gelesen habe).

Nicht außer Haus

Letztlich ist das eine Generation, die noch im Krieg aufgewachsen ist. Die Familien waren durch den Krieg traumatisiert und auch durch ihre Migrationserfahrung – die Beats kamen oft aus Immigrantenfamilien der ersten Generation. Es gab Regeln, es gab moralische Richtlinien in der Gesellschaft, es gab Gesetze, die nicht für Frauen gemacht waren. Für eine junge Frau bedeutete das Aufbrechen in ein selbstbestimmtes eigenes Leben – auch noch das Leben einer Bohemienne – oft den totalen Bruch mit der Familie, das Wegfallen jeglicher Unterstützung durch sie, auch die Enterbung. Rebellion von Frauen wurde schnell als pathologisch eingestuft.

Es gab auch noch keine sicheren Verhütungsmittel. Die Beat Women, die in New York oder San Francisco lebten, forderten das Recht auf freien Sex ein. In Bezug auf ihre Körper wollten sie dieselben Rechte haben wie die Männer. Für die Frauen bedeutete das aber auch Schwangerschaften und unter Umständen Ehen, die sie wiederum unter dieselben Zwänge stellten, denen sie eigentlich hatten entfliehen wollen. So oder so waren die Frauen viel mehr an das Haus gebunden als die Männer. Und oft verdienten sie auch den Lebensunterhalt für sich und für andere. Sie machten das Beste daraus.

„Meet Hettie Cohen“. So beginnt Hettie Jones’ Memoir How I became Hettie Jones. Auf der Kohlezeichnung, die Sara Ann Goren 1957 von ihr angefertigt hat, ist sie 23, arbeitet beim Plattensammlermagazin Record Changer, wo sie gerade den schwarzen Dichter LeRoi Jones kennengelernt hat. Im nächsten Jahr wird sie ihn, schwanger, heiraten. Sie trägt schwarze Strümpfe, einen Kurzhaarschnitt, sie raucht. Sie dichtet bereits. Eine junge Frau, die sich von ihrem jüdischen Elternhaus losgesagt hat, um nach Manhattan zu ziehen und etwas aus sich zu machen. Ein Beatnik “à la carte”. Sie hat Sitzfleisch, das sieht man.

Starship 16: Cover Klara Liden
  1. Cover print Klara Liden
  2. Editorial 16 Starship, Henrik Olesen, Nikola Dietrich, Martin Ebner, Gerry Bibby, Ariane Müller
  3. In this issue Starship
  4. Interview with Leo Bersani, Berkeley, Oct. 1995 Katja Diefenbach, Leo Bersani
  5. Untitled (Flat finish) Michael Krebber
  6. Man sagte mir, dass das Leben schmerzhaft sei ... Cornelia Herfurtner, David Iselin-Ricketts, John Allan MacLean
  7. Karl Holmqvist Starship 16 Karl Holmqvist
  8. Auf der Flucht vor der neuen Dringlichkeit Hans-Christian Dany
  9. Nilpferdkönig Tenzing Barshee
  10. Animal Farm Karl Holmqvist
  11. I started this column a million times Eric D. Clark
  12. Score for Possible Performance (Alonesome and Twosome for Two or Four Players) Michèle Graf, Selina Grüter
  13. Those ornamentals and these accidentals never they will meet Francesca Drechsler
  14. Access cont'd John Beeson
  15. Cut you down to size Robert Meijer
  16. Things Mercedes Bunz
  17. Die Welt geht unter Amelie von Wulffen
  18. Way Beyond The Pale— (An) Itinerant(’s) Meanderings Scott Cameron Weaver
  19. Mongiardino Christopher Müller
  20. Why the military should be the first client of art Robert McKenzie, Peter Fend
  21. Giraffe Birth Leidy Churchman
  22. Photos: Heinz Peter Knes – Words: Sokol Ferizi Heinz Peter Knes, Sokol Ferizi
  23. Nach dem Referendum / Over Time Pt. 2 Florian Zeyfang
  24. La femme nouvelle Nadira Husain
  25. Being invisible is the new cool? Stephanie Fezer, Vera Tollmann
  26. Octavia E. Butler Octavia E. Butler
  27. A.E.R.I.P. Mark von Schlegell
  28. BOandI Monika Kalinauskaitė
  29. Bonnie Camplin Bonnie Camplin
  30. No Gerry Bibby
  31. U.I. Matthew Billings
  32. G. Luke Williams, Natasha Soobramanien
  33. Refound Poetry Evelyn Taocheng Wang
  34. Ein Auswandererroman Ariane Müller
  35. Comedy of Reading Katrin Trüstedt
  36. Mr. Palomar's Vacation Jakob Kolding, Søren Andreasen
  37. The Scrapbooks of Teruo Nishiyama Jay Chung, Q Takeki Maeda
  38. Reality Workshop David Bussel
  39. Queer Crit Potluck Kaucyila Brooke, Louis Coy, Boz David, Jennifer Green, Blake Jacobsen, Tyler Lumm, Giselle Morgan, Ace Shi, Vickie Aravindhan, AJ Strout, Josh Winklholfer
  40. – Xorri, didn’t get the memo # Hey Majorca! Julian Göthe
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