I hope you keep in mind you and I are left behind
Wenn ich von mir spreche, meine ich, ich, das sich auf du bezieht. Kaja Silverman beschreibt, dass ich und du und so auch hier und dort endlos umkehrbare Signifikanten sind, der Signifikant du, der von einer Person an eine andere gerichtet wird, übersetzt sich in der Vorstellung der zweiten Person sofort in ich, und hier und dort funktionieren auf ganz ähnliche Weise. Ich muss betonen, dass diese Signifikanten ebenso wenig wie andere Signifikanten mit realen Personen und Objekten in Verbindung stehen, der Begriff Ich hat also keinen Bezug zur organischen Realität des Subjekts, das ihn benutzt, und dort fällt auch nicht mit einem physischen Ort zusammen. Ich bezieht so seinen Wert vollständig aus du und hier aus dort.
Nun gut, ich frage mich, in welcher Sprache ich diesen Text schreiben soll. Ich muss wohl auf Deutsch schreiben, denn was ich sagen werde, wird so richtiger sein, in der Übermittlung, zwischen dem, was ist und dem was gedacht wird, zwischen dem, was gedacht und gesagt wird, ja sicherlich, zwischen dem, was gesagt und gehört und verstanden wird von der Mehrheit derer, die hier lesen. Nun sind wir seit vier Monaten in New York, also würde ich meinen, denke ich auf Englisch. Manchmal tu ich das, nicht immer. Jedenfalls kommen die Worte mal so mal so, mal deutsch mal englisch. Manchmal muss ich dann hin und her übersetzen. Da fällt mir ein, wie Eran Schaerf in Eine Frage noch – Wovon redet ihr? erzählt, wie in seinem Berliner Zwei-Personen-Haushalt hebräisch-, deutsch- und englischsprachige Zeitungen gelesen werden und wie sie, die beiden Personen im Haushalt, merkten, dass sie, abhängig von der Sprache, in der sie Nachrichten konsumieren, zeitverschoben zueinander leben. Manche Meldungen gelangen darum mit tagelanger Verzögerung vom einen zum anderen Sprachraum, andere schaffen es nie, die Sprachraumgrenze zu passieren. Weiter schildert er, wie sie diese Grenzen gelegentlich überschreiten, indem sie zwischen den Zeiten, in denen sie leben, switchen. Mit der Frage, wie lange die eine Person bereits weiß, was die Andere eben erst erfahren hat, beginnt eine Art Wettlauf, bei dem es allerdings keine Gewinner gibt.
Ähnlich switche ich und bei diesem Switchen treten manchmal auch Unübersetzbarkeiten auf. In solchen Momenten kann ich hören, was ich normalerweise spontan spreche: Sogar im individuellen Sprechakt, der angeblich eine individuelle Angelegenheit ist, bemerke ich, worauf ich unbewusst zurückgreife und was ich aufrechterhalte, ohne dass ich mir dessen, “normalerweise” im übersetzungsfähigen Zustand, im Klaren bin. Eine bestimmte Bedeutung, die einem Original innewohnt, äußert sich also in ihrer Unübersetzbarkeit – ruppen veranschaulicht dies ganz angemessen, to pluck auf Englisch. Und gemeint ist etwas wesentlich anderes: aus rupfen wird ruppen und aus den ausgerissenen Federn des geschlachteten Geflügels, das aus den Taschen zu ziehende Geld. Wenn wir also zu to pluck switchen, das sich nicht gleichsam verballhornen lässt, haben wir’s mit Zweierlei zu tun: einerseits der Unübersetzbarkeit der ostdeutschen Lautverschiebung und andererseits der umgangssprachlichen Bedeutung von ruppen.
Nächstes mal werde ich hier dann vielleicht vom Wetter berichten – gestern, am 12. Januar 2020 zum Beispiel, hat mein Körper die 68 °F (ich übe eben Fahrenheit, also jeweils minus 32 mal 1,8) genossen, während mein Verstand die Temperatur fürchtete. Und (anstelle von oder) wie es sich für einen Bericht gehört, nebenan ein Bild der Staße, in der wir wohnen, heute bei 44 °F.