Rudolf Leopold Porträt eines Sammlers
Rudolf Leopold kehrte 1945 aus dem Krieg zurück nach Wien und begann mit einem Medizinstudium, das er als Augenarzt (Die Zeit), Zahnarzt (österr. Stiftungsverzeichnis) oder Allgemeinmediziner (Museum Leopold) abschloss. Noch während seiner Studienzeit veräußerte er seine liebevoll angelegte Schmetterlings- und seine umfangreiche Briefmarkensammlung, um mit dem eingelösten Geld Kunst zu sammeln. Bevor die über die Jahre gewachsene Sammlung 1994 an die Republik Österreich verkauft wurde und so das vielerorts, vor allem in Österreich, umjubelte Museum Leopold entstehen konnte, wurde sie von dem Direktor der österreichischen Galerie im Belvedere, Gerbert Frodl, auf ihren Wert geschätzt. Bei einem von mancher Seite angezweifelten Schätzwert von 8 Milliarden einigte man sich auf einen Ankaufspreis von 2 Milliarden Schilling. Als Kompensation wurde zum einen mit der Lex Leopold die Möglichkeit geschaffen, die Privatperson Leopold rückwirkend für 10 Jahre von ihrer Steuerlast zu befreien, als auch der Bau und die Erhaltung eines Museums zugesichert. Dieses Museum, in dessen Muschelkalkfassade geritzt der Sammler Leopold nun mit seinem Namen verewigt ist, wurde auf Lebenszeit seinem Direktorat unterstellt und er bekam die Schlüssel.
So hatte sich die österreichische Republik nicht nur eine der größten Schiele-Sammlungen der Welt gekauft, sondern auch, und das wird nur sehr selten erwähnt, eine der größten Dobrovsky-, Birstinger- und Andri-Sammlungen. No-Names, aber nicht überall, die schlagende Burschenschaft Adania pflegt zum Beispiel durchaus das Andenken Andris, noch mit einer Ausstellung 1996. Auch viele andere Maler der Sammlung waren Mitglieder von Athenaia, der Hauskooperation der Akademie der Bildenden Künste in Wien, die nicht nur in den dreissiger Jahren ob ihrer dumpfen politischen Ansichten gefürchtet, sondern noch bis vor kurzem im Verband der deutschen Burschenschaften aktiv war, gemeinsam mit Jörg Haiders Stammverein, der Sylvania (mensurschlagend) und der besonders gefürchteten Olympia, deren politische Radikalität Grund war, dass die österreichischen Burschenschaften aus dem DB ausgeschlossen wurden.
Gerbert Frodl sah sich allerdings bald nicht nur als Schätzer der Sammlung Leopold in der Zeitung. 2000 wurde er mit einer parlamentarischen Anfrage konfrontiert, die sich auf die zunächst Jahrzehnte verschleppte, dann schließlich vorgelegte Inventarliste der Österreichischen Galerie bezog. „Mit Entsetzen“, wie die Parlamentarier schrieben, hatten sie bemerken müssen, dass ein Drittel des Inventarbestands als nicht mehr auffindbar deklariert war und es trotz parlamentarischer Anfrage auch blieb. Aber nicht genug, dazu mußte Gerbert Frodl auch zu Zeitungsberichten Stellung nehmen, als in einem verlassenen Aktenschrank Unterlagen seines 1994 verstorbenen Vaters Walter Frodl auftauchten. Wiederum Listen, die der Gaubeauftragte Walter Frodl Anfang der 40er Jahre angefertigt hatte, um die reibungslose Übergabe der enteigneten Bilder Triestiner, Udineser und Klagenfurter Juden an verschieden Nazigrößen zu gewährleisten. Und Anforderungslisten nach Wien, mit der Bitte, die enteigneten Bilder aus ehemaligem Wiener jüdischen Besitz doch wieder im „Heimatgau der Maler“ auszustellen (im Klagenfurter Museum, wo sie zum Teil heute noch hängen). Gerbert Frodl, der wahrscheinlich nicht nur seinen heroischen Vornamen, sondern auch die Liebe zu Werken der österreichischen Moderne seinem Vater verdankt, erklärte, sein Vater könne unmöglich etwas mit Enteignungen zu tun gehabt haben, im übrigen sei aber er, Gerbert Frodl, ein völlig unpolitischer Mann.
Ungefähr zu dieser Zeit war der unpolitische Gerbert Frodl als Sachverständiger der in Klagenfurt unter Landeshauptmann Haider regierenden FPÖ eingeladen worden, um den Streit über den Entwurf für die Bemalung des Landhaussaals in Klagenfurt zu entscheiden. Unter der beurkundeten Aufsicht des Gaubeauftragten Frodl (des unwissenden Vaters) waren die Fresken von Anton Kolig Anfang der 40er Jahre als „entartet“ abgeschlagen worden. In den 90er Jahren beschloss man, an dessen Sohn Cornelius Kolig den Auftrag für ein neues Fresko zu geben. Der Entwurf stiess auf Ablehnung von höchster Stelle (Landeshauptmann Haider). Zum „größten Erstaunen der FPÖ“ (so Andreas Mölzer, Kulturbeauftragter und „Umvolker“ der FPÖ) entschied sich Frodl, von dem sich die Auftraggeber anderes erwartet hatten, aber doch für Koligs Entwurf.
Gerbert Frodl hatte ähnlich wie Rudolf Leopold im letzten Jahrzehnt Schwierigkeiten mit dem Provenienznachweisen der von ihm verwalteten Bilder. Im Gegensatz zu Rudolf Leopold obliegt allerdings die Österreichische Galerie der Restitutionspflicht gegenüber entwendetem Eigentum. Während Frodl in den letzten Jahren zwei Klimt-Bilder an die rechtmäßigen Erben, die Familie Bloch-Bauer, zurückgeben musste (ein Verlust, den er mit den Worten, er sei froh, diese Altlasten endlich loszuwerden, kommentierte), müssen Erben gegenüber dem Sammler Leopold, der als privater Sammler dieser Restitutionspflicht nicht unterliegt, den privaten Klageweg beschreiten. Angesichts der hohen Kosten bei dem ebenfalls hohen Streitwert hat sich ein Kläger erst im letzten Jahr zurückgezogen und erwägt, die Klage von den USA aus zu betreiben.
Deshalb hat sich Gerbert Frodl bei Auktionen, die im wesentlichen zwischen dem Sammler Leopold und der österreichischen Galerie stattfanden, so es sich um Bilder in österreichischem Besitz handelte, auch eher zurückgehalten. Ein Gesetz verbietet in Österreich nämlich die Ausfuhr wichtiger österreichische Kulturgüter, wodurch Leopold beim Einkauf einen gewissen Vorsprung hatte.
Entgegen der Behauptung des Museums Leopold, nur Leopold hätte den Wert der österreichischen Moderne geschätzt (obwohl das für die Maler Dobrovsky, Birstinger, Andri etc. möglicherweise zutrifft), gab es bereits seit den 50er Jahren in New York Sammler und Galeristen, vor allem aus den Kreisen österreichischer Exilanten, die österreichische und deutsche Moderne sammelten. Vor allem, was Egon Schiele betrifft, gehen hier die Meinungen auseinander. Während das Museum Leopold, dessen Pressestelle und alle, die davon abschreiben, behauptet, nur Leopold hätte die Bedeutung von Schiele erkannt, ist die Neue Züricher Zeitung da anderer Meinung. Bereits die Nationalsozialisten hätten Schiele aus den geraubten Bildersammlungen aussortiert und extra versteigern lassen, schreibt die NZZ. Sicher ist, dass in New York ebenfalls bereits ab 1950 durch den Galeristen Serge Sarbasky Ausstellungen österreichischer Moderne gezeigt wurden. Während Sabarsky, der ein Kokoschka-Fan war, jedoch Schiele und Klimt gemeinsam mit Blaue-Reiter- und Brücke-Malern sammelte, stellte Leopold seine Schiele-Bilder (Klimt und Kokoschka sammelte er weniger oder gar nicht) in den Kontext österreichischer Blut-und-Boden-Malerei. Wobei die Pressestelle bei der Nennung der Namen immer nur bis Egger-Lienz geht (im übrigen ein Lieblingsmaler Adolf Hitlers), der Rest ist Schweigen.
Seit die nunmehr Stiftung Leopold in Besitz der österreichischen Republik ist, gelten auch die Restitutionsansprüche. Seitdem hat die Stiftung, angekündigt durch eine „überraschende“ Pressekonferenz (Der Standard), eine Datenbank der Bilder der Sammlung ins Netz gestellt.
Man kann sich nun im Internet durch die verschiedensten Bilder blättern. Als Referenz dient der Titel. Abbildungen oder Größenangaben, die für mögliche Ansprüche der Erben einen Vergleich möglich machen würden, fehlen. Und was hat sich Österreich gekauft? Seitenweise blättert man durch: Kuh nach links, Mädchen beim Nähen, Das Stubaital im Spätwinter, Häusliche Szene...
Bei den Kaufangaben, die ebenfalls im Netz zu finden sind, mußte man sich, so der einleitende Text, vor allem auf das „Gedächtnis des Sammlers verlassen. Belege könnten in einem Privathaushalt wohl nicht lückenlos verlangt werden“. Nein, sicherlich nicht, wenn man keine Steuerprüfung zu erwarten hat.
Serge Sabarsky, der 1912 in Wien geboren wurde, konnte Österreich 1938 verlassen. Er war bis dahin eine Wiener Bohème-Existenz gewesen, mit enger Verbindung zur Neuen Galerie in Wien, die Klimt und Schiele, Kokoschka und Gerstl als erste ausgestellt hatte. In deren Tradition gründete er die Neue Österreichische Galerie in der 5th Avenue, 85ste Strasse, ein mehrstöckiges Gebäude in dem er seine Sammlung, die er in New York als Kunsthändler angelegt hatte, unterbringen wollte. Er starb, doch die Neue Österreichische Galerie wurde von dem ehemaligen amerikanischen Botschafter in Österreich, Lauder, im Andenken an Serge Sabarsky dennoch realisiert. In ihr finden sich die von ihren Besitzern vor den Nazis in Sicherheit gebrachten Bilder österreichischer und deutscher Expressionisten. Im Erdgeschoß das Café Sabarsky (das erinnert an das Café Teitelbaum im Wiener Jüdischen Museum, das so heisst, weil dieser vor 1938 häufige Name in Wien nicht mehr existiert). Im Museum Leopold findet sich im Erdgeschoß das Café Leopold, das so heisst, weil der Herr noch lebt.
Die ehemalige Neue Galerie (später Würthle) wurde nach ihrer „Arisierung“ vom österreichischen Verleger Dichand gekauft. Er gibt die Kronenzeitung heraus. Als langjähriger Freund von Rudolf Leopold hat er sich in seiner Zeitung, nebenbei dem schlimmsten rechten Schund-Blatt, das man sich vorstellen kann, seit Jahren gegen das Museumsquartier und für den Ankauf der Sammlung Leopold stark gemacht. Nicht persönlich, sondern unter einem seiner Nomes de Plume: Aurelius.
Rudolf Leopold ist eine herausragende Sammlerpersönlichkeit. Seine Kennerschaft wird in Österreich hoch gelobt, illustrieren lässt sie sich vielleicht durch seinen Ausspruch: Juden hätten Egger-Lienz nicht gesammelt. Er wäre ihnen zu bäurisch gewesen - Eine Aussage, nachdem die Indizien, dass eines seiner Egger-Lienz-Bilder aus jüdischem Besitz enteignet war, erdrückend wurden. Seine Hartnäckigkeit wurde in „Die Zeit“ mit dem Ausspruch eines Kunsthändlers wiedergegeben: „Gegen den Leopold ist eine Gewandwanze eine flüchtendes Reh.“ Entgegen aller Usancen eröffnete das Museum mit einem Privatempfang, um tagsdarauf in den zahlenden Betrieb überzuwechseln.