Armee im Schatten
The Customers - Furious (Elektro Music Department)
1
Es war nicht zu verhindern: es wurde Nacht. Der Adler sei gelandet, hieß es. Nur ein einziges Mal erhebt sich die dunkle, strahlende Stimme, vielleicht die mächtigste, die die elektronischen Lebensaspekte zu bieten haben. "Furious" von Klaus Kotai und Daniel Pflumm ist schwarz, unerbittlich, absorbierend. In einem geschichtslosen Raum kommen die zerfasernden bis aufreizenden Momente der Achtziger Jahre und die technoiden Räusche der minimalen Musik zusammen: Die "Berliner Technoaristokratie" (de:bug) spielt die Retros und die Minimals kunstphilosophisch wie nachtlebensbezogen gegeneinander aus. Die Soundfiguren der alten Elektro Music Dep.-Releases erfahren bedrängende Wiederkehr: Minimal-Grooves, die die Krassheiten der Technogeschichte nicht vergessen, Floorbretter, Gitarriges mit Vocals, Konzeptionell-Eigenartiges, Jingles. Die Dirtiness von Chicago-House wird über nur scheinbar unterkühlte minimale Pattern aufgezogen: "Paint the Black House White".
Zu vernehmen ist nur ein Kichern.
Es ist Zeit? - Niemals, Nirgends.
2
In der Welt, in der Kunstgenuß entweder Mittelstand ist oder entropiehafter Verfall, erzeugen The Customers einen sozialen Raum, der nicht jener der Retro-Nischen oder Promoagenturen ist, der heute die elektronische Musikwelt strukturiert, sondern einer der ständigen Aufmerksamkeit gegenüber dem und Analyse des sozialen Ereignises und dem Funktionieren der Musik darin. Dem meistens wahl- und lustlos durchgeführten Plündern der popkulturellen Archive setzen die beiden Techno als die notwendige Gegenwarts-Musik entgegen und entwickeln Songs von größter Trennschärfe: ihnen ging die Meditation über Lou Reeds "No!" voran, darüber, welche englischen Wörter wie in der eigenen Stimme erklingen. In der totalen Aufmerksamkeit bleibt kein Aspekt ausgespart: Mokris Eleganz schlank-zurückgenommener Körperhaltung etwa. Gleichzeitig wird alles auf Höhepunkte, Krassheiten zugespitzt: dem dysfunktionalen Buchhalter wird auf der flachen Handfläche der Kopf des eigenen Sohns präsentiert, als ein Hamlet des Splatter: "Warum ist die Rechnung noch nicht bezahlt?"