Namosh

Die Party war so ganz okay. Wechselnde DJ Acts wie üblich. Doch dann in diesem dunklen Licht geschah etwas. Trashige Elektrobeats, wie schon so oft. Doch die Bühne blieb dunkel und es war klar, dass dies kein gewöhnlicher DJ Act war. Jemand stand auf der Bühne, trug die Kapuze des pinkfarbenen Pullovers über den Kopf und sang, hart und zart. Die Beine, die Hüften, alles an diesem Körper zuckte wie von Stromstössen getrieben. Drei Songs lang die Frage, wer verbirgt sich hinter dieser Kapuze. Drei Songs lang die Möglichkeit sich diese Figur vorzustellen, sie mit allem aufzufüllen was man sich ausdenken kann. Dann fiel die Verhüllung. Wer ist das? n a m o s h . Er zuckt und brüllt, hustet und tanzt, spuckt und schlägt auf sich ein, verdreht die Augen, trinkt und lässt das Bier über sich laufen, bricht fast zusammen. Ekstase.

Doch nach der Show geht das Spiel weiter. Manche reden gelangweilt von Elektrotrash Peacheslike, the new Iggy Pop, Männer sind genervt von machösen Gehabe, Frauen fasziniert von seiner Sexyness. Und ich bin erstaunt. Verblüfft und erregt von dieser Show, schockiert über die Reaktionen. Über Begriffsstutzigkeit, Unverständnis, Faszination. Woher kam diese Unlesbarkeit. Lag es an der unhinterfragten Übernahme eines Subortes, eines Subacts durch das Kunstlager? Was war das nur? Soviele Anspielungen, Codes, Erinnerungen an Bilder vom Cruisen im Tiergarten, Schläge ins Gesicht, Trauer und Wut, schmerzhaft und lustvoll, Reaktion auf deutsch-türkische Comedy? Namosh peitscht durch alle Bilder, durchläuft alle Stereotypen, kotzt sich aus über alles was über ihn gelegt wird. Und schenkt dir eine Show, die mehr ist als ein Set mit Beatbox, denn hier steht jemand auf der Bühne für dich und mit dir und dreht dir alle Bilder im Kopf um. Er spricht mit seinem Körper über Gefühle, die so voll und tief sind, wie dieser Tanz sie nur sprechen kann.

Und irgendetwas an dieser attitude in den Bewegungen erinnert an KRUMPIN', einem neuen HipHop-Dancestyle aus LA. David Lachapelle, sonst bekannt von seinen glossy Clips und Fotografien, stellt in seiner Videodokumentation CLOWNS IN THE HOOD, für den er gerade in Sundance einen Preis bekommen hat, neue HipHop-Dancestyles vor, die aus einer der ärmster Gegenden LA's, Compton kommen, Clowning und Krumpin'. "it's our ghetto ballett." Superenergetischer, hyperschneller Tanz, der vom Breakdance kommt, aber mit grösster Energie, Aggression und Drama getanzt wird. Die battles erinnern wirklich an Kämpfe, warriors, die in den Kreis gehen und sich bekriegen, die Körper sind ihre Waffen. Was zählt ist dein style, dein move, dein facepainting. Alle performen sich, kleine und grosse, Jungs und Mädchen, Dicke, Dünne. Keine Hiphopattitüde, die ausschliesslich von coolen Gangstaz gespeist wird. In Crompton hast du nur zwei Möglichkeiten "either to be in a gang or a clown". Clowning begann 1992 mit den Shows von Tommy the Clown, der auf Geburtstagsparties in Clownkostüm und -maske Breakdanceshows aufführte. Heute ist er wichtiges Rolemodel in der Community. Es entwickelte sich eine Bewegung, ca. 50 Clowninggroups, die sich jeden Tag treffen, der Stil wechselt schnell, täglich. Aus dem Clowning hat sich Krumpin' entwickelt, was viel härter und aggressiver ist. Die battles sind wild und ekstatisch und manche wirken wie Trancen. "It's the modern version of african dance. We have it in our blood." Tatsächlich erinnern die schnellen Bewegungen an viele westafrikanische Tänze oder an Samba aus den Favelas Brasiliens.

Namosh und die Clowns, beide benutzen Maskierungen. Bei den Clowns sind es die facepaintings, rituelle Gesichtsbemalungen. Sie ermöglichen es jenseits von Zuschreibungen deine eigene Identität zu performen, the hidden identity, the inner music zu tanzen. Namosh dagegen wirft die Bilder zurück und spielt mit den Projektionen des Publikums.

Eins ist beiden Styles gemeinsam, die Wut in der Bewegung. Wie Vicky, B-Girl aus Stuttgart zu Clowning meint, der Style sei von der technique nicht superneu, aber so - mit dieser Wut im Bauch, in den Muskeln - tanzt hier niemand. Die in den Körper eingeschriebenen Erfahrungen tanzen sich.

krumpin is the inner v. (vision)
krumpin is your inner being, it tells stories about your inner music
krumpin is the close chapter of your inner life
you push it out in a positive way
it's about sorrow, pain and anger.
everybody has a certain talent.
don't be afraid to express yourself
only the sky is the limit and there is no limit

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