Ingo Niermann
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Früher gab es Imitatoren, Coverversionen, Kostüme, sektiererische Fanclubs.
Heute saugt der Mainstream die Vergangenheit mit einfachen, groben Filtern
auf. Die Verwertung hat sich in ihrer Ironie immunisiert. Aber es werden
auch nur die handlichen Partikel aufgesogen - der Pop. Pop vielleicht
auch erst im nachhinein, doch fast ausschließlich bezieht sich der Pop
auf sich. Ist nicht längst beinahe alles Pop? Es ist eher weniger geworden.
Und wenn sich etwas darüber hinaus verbreitet haben sollte, wird es nicht
rückgeführt. Aber es ist albern zu sagen, die Älteren nähmen der Jugend
den Pop weg, würden das alles sogleich vereinnahmen und bagatellisieren.
Neuere Jugendkulturen binden sich an außerordentliche
sportliche Leistungen. Wenngleich sie vielleicht nur von wenigen wie lebende
Maskottchen erbracht werden, stehen die ihnen Nahestehenden in latentem
Wettstreit. Breakdance, Skaten, Durchtanzen, Fantasieaction, Drogen mixen,
Modeln wollen, fanatischer Fan sein.
Nie sind Jugendliche so gezielt bedient
worden und haben sich selbst so gezielt bedient. Nur interessiert das
als Phänomen, mit dem die Älteren sich identifizieren oder auseinandersetzen
könnten, kaum mehr als neue Kinderspiel-, Hausfrauen-, Rentnermoden. Es
reicht nicht aus, um weiterhin in unregelmäßigen Abständen sehen zu wollen:
Da wächst eine Generation heran, für die alles schon vorbei ist, bevor
ihre Jugend überhaupt begonnen hat. Die gar nicht daran denkt, erwachsen
zu werden. Die nur an Geld denkt, die nur an Drogen denkt etc.
Penetranz. Musik heute klingt vielleicht
nicht so, als könnte sie sattmachen, aber gesättigt, im Überschwang auch
fett. Das ist die einzige reichlich allgemeine Entwicklung in der Produktion.
Sie kracht und krächzt nicht mehr, und kann eben deshalb so laut werden,
bis sie einem den Hals zuschnürt oder das Gehör schädigt.
Nicht in den 8Oern ist die Musik glatt
geworden, sie wird es jetzt, bald.
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Wann ist die Musik, der Film so schrill gewesen wie
in den 80er Bombastproduktionen, die allein das Unmögliche zusammengeführt
(Duette!), aber nur selten verträglich gemacht haben. Heute muß nichts
mehr an sich unangenehm klingen. Saxophone, Gitarren, was noch zu Beginn
der 90er verbannenswert schien. Natürlich gibt es deshalb auch Big Beat,
Digital Hardcore und so, und ist das alles im traditionalistisch prolligen
England nicht nur beliebt, sondern auch als Hype möglich. Dieser fortlaufende
Witz wirkt mit etwas und nicht zu viel Distanz gerade so wie Peter Andre’s
und Warren Gs Oogie Woogie oder Luc Bessons Space Cobs. Funky Diamonds
und MC Hammer. LL Cool Js Rackern bei den
MTV Awards. Tequila ´98.
Dabei gibt es ihn, heute, heute erst, den fließenden,
den erhebenden Trash ohne Kopfschmerz. Im Video von Mack 10, mit Snoop
Doggy Dog und Ice Cube, hat sich die Klonarmee aus Grace Jones One Man
Show in ein ordinäres Female SA Lookalike verwandelt. Da ist die Punk-,
dann Kippenberger usw. Kunstprovokation endlich in den Pop gelangt und
bedeutet wirklich jetzt erst gar nichts mehr als: Huch, da haben die Models
Faschismus-artige Uniformen an.
Ähnlich wirkt das Video zu N-Trances You Sexy Baby, in
dem sie nach Japan reisen, um dort nicht den üblichen Japan Popkitsch
zu suchen, sondern Straßen voller mäßig langbeiniger, langhaariger, blondierter
Mädchen. Oder Matthew Barneys Reisen in die Systematiken Freuds, allein
als seien sie ein besonders Comic-tauglicher Gedankenmüll.
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