Von Dany Mueller
Der hoffnungsvolle Berliner Junggalerist Ole Borghaus ist
am Morgen nach der Vernissage seiner Künstlerin Ines Cremer in der Londoner
Galerie Eins erwürgt in seinem Wagen aufgefunden worden.
Die mit dem Fall befaßte Kriminalkommissarin Hanna Forester
schließt zunächst ein Sexualverbrechen nicht aus.
Doch als sie, um den Fall zu rekonstruieren, die Galerie
Eins aufsucht, ist dort das Büro verwüstet und zwei Bilder fehlen. Sowohl
der Galerist Eins, als auch seine Assistentin Anne Fecter scheint der
Vorfall nicht zu beunruhigen. Sie beide, die Künstlerin Ines Cremer und
der ebenfalls mit der Galerie assoziierte Künstler Lindsay Hudson verbindet
ein Geheimnis, auf dessen Spuren sich Hanna immer stärker in die Londoner
Kunstwelt verstrickt.
Der Verdächtigenkreis scheint sich auf die Tischgesellschaft
am Vorabend im feinen Restaurant Caravelle einzuengen. Galeristen, Künstler
und Personen, die Hanna aus den Gesellschaftsseiten der Vogue kennt.
Und was war mit dem Zettel gemeint, den Hanna in der Galerie
Eins gefunden hatte. Sie entfaltete ihn und las:
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Ines Cremer, denn es war die Stimme von Ines Cremer am
anderen Ende der Leitung, hörte sich fast erleichtert an: "Sie sind es.
Sie fragen mich wirklich immer Sachen, die ich nicht beantworten kann.
Haben Sie immer noch nicht begriffen, daß wir hier alle" - sie stockte
- "produziert werden. Natürlich könnte ich mir denken, daß ich etwas tue
oder zumindest tun möchte, aber es ist mir schon vor langer Zeit klar
gemacht worden, daß meine Handlungen nur real sind, wenn sie von jemand
anderen verkauft werden können.
Falls ich also so etwas geschrieben habe, dann wahrscheinlich, weil es
jemand von mir wollte."
"Ich bin müde", hörte sich Hanna sagen "und Sie mögen
mich für blöd halten, aber bitte erinnern Sie sich, warum Sie das geschrieben
haben."
"Fragen Sie Lindsay", sagte Ines kurz; "Sie finden ihn
heute am abend im Marcys. Eins gibt eine Dinnerparty. Ich werde da sein.
Sie werden überhaupt einige Leute kennenlernen, die Ihnen mehr sagen können
als ich."
Hanna hängte den Hörer ein. Nichts, nichts wurde klarer.
In ihrem Kopf gab es eine Karte, auf der die Orte verzeichnet waren, an
die sie sich in solchen Situationen zurückzog. Sie durchforstete den imaginären
Lageplan. Nein, es würde nicht weit sein. Sie drehte sich einmal um die
eigene Achse und lenkte ihre Schritte auf das drei Blocks entfernte Ziel.
Vor den Lokalen bildeten sich erste Grüppchen und begannen Bier trinkend
den Feierabend. Zwei Minuten später erreichte sie ihr Ziel. Das Studio
warb momentan mit dem Slogan: "Eine Oase für Risikounternehmer". Die Frau
am Tresen erkannte sie. In London alles andere als eine Selbstverständlichkeit.
Aber die blaßhäutige Ermittlerin war auch im Sommer ein regelmäßiger Gast
gewesen. Obwohl die gelbe Einrichtung mit dem Charme eines Ferienclubs
schon ein wenig Patina angesetzt hatte, führte man hier immer noch die
neuesten Maschinen. Hanna zögerte einen Moment, erlaubte sich dann aber
den Luxus einer halben Stunde und des neuesten Turbos. Sie ließ sich ein
zweites Handtuch geben und huschte in die ihr zugewiesene Kabine. Sie
breitete das Tuch aus und legte sich in den Lichtsarg. Obwohl sie gegen
eine gesündere Gesichtsfarbe nichts einzuwenden gehabt hätte, legte sie
immer ein Handtuch über ihr Gesicht, um so zu vermeiden, daß jemand von
ihrer Methode, Anflüge von Verzweiflung zu bekämpfen, etwas erfuhr.
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