Von RAN Huber
Fünf Seiten im Kopf eines Künstlers
Ein
letztes Mal fuhr Armin von Milch über das Anwesen des weltbekannten deutschen
Musikproduzenten. Das Album war nach langer und harter Arbeit fertiggestellt.
In seiner Kleidung hing der Duft von edlen Virginiazigarren. Er warf noch
einmal einen Blick auf den Tennisplatz, auf dem die Familie Augenthaler
gerade spielte. Schließlich schloß sich hinter ihm das große schmiedeeiserne
Automatiktor. Für immer ?!
München ´89 - ´90
In den vergangenen zehn Jahren hat Milch Musikgeschichte
geschrieben. Doch wer weiß das schon? Die Geschichte von Milch beginnt
1989 in München. Ralf Maria Zimmermann (Schlagzeug) und Armin von Milch
(Gitarre) gründen die Band und spielen Punk. 1990 erscheint auf SubUp
Records ihre erste LP „Roswitha". Roswitha ist nicht nur der Titel der
Platte, sondern auch der Name des Covergirls, einem Original aus dem Glockenbachviertel:
man sieht sie meist am Eingang zum U-bahnhof Fraunhoferstraße mit einem
Einkaufswagen und einem Ghettoblaster, aus dem Schlager und Volkslieder
dröhnen.
Schon in dieser Frühphase entwickelt sich Milch in kleinen
Kreisen zur Kultband.
Hamburg ´91 - ´95
1991 ziehen sie nach Hamburg, 1992 erscheint „Frauenhände"
(auch SubUp Records). 93/94 veröffentlichen sie „500" auf L´age d´or (LADO).
Hier finden sich mit „Housefrau" und „Gott ist doof" ihre ersten beiden
Hits. Dann, 1994, werden einige Tracks der „500"-LP remixed. Das Ergebnis
heißt „505", eine extrem dance- und houseorientierte Maxi, die nicht so
richtig ins musikalische Konzept des Labels passen will. Die Lösung ist
schnell gefunden. LADO gründet ein Unterlabel mit dem naheliegenden Namen
LADOMAT, um auch weiterhin Musik in diesem Stil zu featuren. Der Rest
ist Geschichte...
|
... in dieser Zeit tritt das Majorlabel Motor Music auf
den Plan. Zwischen LADO und dem Major gibt es schon enge Beziehungen (Weiterlizensierung
erfolgreicher Bands) und Motor ist stark an Milch interessiert. Das erste
Ergebnis ihrer Zusammenarbeit ist die „Kinderbrei"- Maxi CD (Elektro Motor
/ Motor Music / 1995) und Milchs dritter Hit. Der in einer extrem limitierten
Auflage erschienene Tonträger (weil Promoobjekt für die Presse) enthält
unter anderem einen Remix von Mo und Kotai (Elektro Music Departement),
der dem Original qualitativ in nichts nachsteht, ein fantastisches Cover
(„Rote Sonne"- Uschi Obermayer mit Kinderbrei-Schriftzug) und einen witzig-abgehobenen
Text. Man plant Großes...
1996 wird mit Motor ein Vertrag abgeschlossen. Labelintern
beschliesst man aus Ralf und Armin die deutschen Pet Shop Boys zu machen
und deshalb in die neue Platte (geplante VÖ: Frühling ´97) hoch zu investieren.
Milch dürfen sich ihren „Hero"- Produzenten aussuchen. Sie entscheiden
sich für Harold Faltermeyer. Alles scheint paletti. „Sozialpark", so der
Titel ihrer neuen Platte, erscheint nie.
the Motor Years (´95 bis heute )
Frühling 1997 ist der geplante Veröffentlichungstermin
für „Sozialpark". Milch erhält einen hohen GEMA-Vorschuß, um sich davon
neue Instrumente zu kaufen und ein Jahr lang intensiv an der Platte zu
arbeiten. Einen Termin mit Faltermeyer zu bekommen ist nicht einfach und
so beläuft sich schließlich die gesamte Produktionszeit auf eineinhalb
Jahre.
Während der Arbeit an dem Popalbum zeichnet sich mehr
und mehr die Trennung von Ralf und Armin ab. Sie ist schließlich aus arbeitstechnischen
sowie persönlichen Gründen unvermeidbar und so kommt es, daß Armin in
der Endphase der Produktion im Alleingang arbeitet. Der Zeitpunkt für
den Bruch ist aber nicht sonderlich gut gewählt. Motor läßt verlauten,
daß der Vertrag für sie nun ungültig sei und sie die Platte weiterlizensieren
wollen. Man läßt dabei aber noch die Option offen, „Sozialpark" später
vielleicht doch noch im eigenen Haus zu veröffentlichen.
Armin von Milch (AvM) sieht im Nachhinein die wahren
Gründe darin, daß Motor kein Popduo, Marke Pet Shop Boys mehr vermarkten
konnte und kein Interesse bestand, einen Solostar mit folgendem Profil
aufzubauen: "ironisch-verspielt", „schräg", „80er-Revival", „tanzbar",
„deutschsprachig", „geniales Samplen der Pophistorie". Denn es gab ja
schon einen: Andreas Dorau.
|