Nico Siepen
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Ihr
verdorbener Fetischcharakter steht ihnen richtig gut zu Gesicht, so gut
wie die kleine, lächelnde Pappsardine: gelb, aus feinen hellbraunen, fast
goldenen Linien in ihrem nachtblauen Meer.
Daß ihr schmutziges Geheimnis früher oder
später auffliegen mußte, entlarvt als kaltblütiger Mord eines ungerechten
Tauschs, läßt die Bewunderung noch auf der ganzen Linie steigen - Warhol's
Werbezeichnungen z.B. sagen: Wie das manche Waren nur machen, sich so
dekorativ in sich zu verbergen, ohne aus dem Gleichgewicht zu geraten?
Das glatte Gegenteil ist der Fall, wenn
die (selben) Dinge in der Galerie liegen - gerade auch die Marx kundigen:
aus einem Zaudern, einem schlechten Gewissen heraus, verfangen sie sich
in einer selbstbezüglichen Lüge - genannt Ausdruck. Und gerade weil die
scheinbar neutrale Umgebung jederzeit bereit ist einen königlichen Empfang
zu geben, gleicht die Szene immer wieder dem infantilen Familienvater,
der sich nach Feierabend heimlich in den Hobbykeller verbannt, um mit
der Eisenbahn zu spielen.
Damit kein Mißverständnis entsteht: diese
Verschiebung, hin zum reinen Konsum, macht die Stärke von Kunstprodukten
aus, ihr offensichtlich fehlender, unmittelbarer Gebrauchswert macht sichtbar,
daß eine Ware nur solange Wert hat, wie sie nicht genossen wurde oder
anders gesagt: der Augenblick des Genusses konsumiert gleichsam den Wert,
den der soziale, ökonomische oder semiotische Tausch (z.B. die Galerie)
der Ware zugeschrieben hatte, und reduziert sie somit gleichzeitig zu
metaphorischem Müll.
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Und es ist äußerst fraglich, ob dieser sorglos-euphorisch-kritische-ästhetische
Verbrauch ohne eine wertstiftende Institution, die für ihn bürgt, überhaupt
möglich ist, ohne das der angestrebte Tausch empfindlich gestört wird.
Kann ästhetisches Vergnügen außerhalb der lästigen Rituale von Wunderkammern
getauscht werden, die aus etwas Wert und aus Wert nichts machen (Straße,
Wohnung, White Cube, Club, Kinosaal, TV).
Wenn man berücksichtigt, daß neutral, glatt und selbstverständlich
erscheinendes, vielleicht einer Nichtlogik folgt: wie Puzzleteile, die
aber nicht zu einem, sondern verschiedenen Puzzle gehören: immer lokalisiert,
aber nie spezifisch, mit ihren nicht zueinander passenden Rändern, die
gewaltsam ineinandergezwängt, ineinandergeschachtelt werden und stets
Reste übrig lassen ... jetzt komm mir nicht mit Collage!
Ein harmloser Biedermeiersessel, der von Generation
zu Generation weitergereicht wird, ein selbstloses Objekt, das uns auf
seine eigenen Kosten Vergnügen bereitet, eine flüchtige Begegnung, die
an einem lauen Abend restlos inhaliert wird? Schön wär's! Was nicht bewegt
werden kann, ist das Prinzip des Stuhls selber, seine nackte Form wird
mit eiserner Faust regiert: vielleicht sind es ja unzählige, immer mächtigere
Untersager und ihre Macht ist das Aufschieben, ein endloses Aufschieben,
das Sekunden, Minuten, Stunden, Tage, Wochen, Monate, Jahre dauert und
schließlich bis zum Ende. Aufschub für den Tod ohne Ende des "noch nicht!",
"nicht jetzt!", "gleich!", "später!". Daher das Interesse an einem kleinen
Glück - hier und jetzt: "das kann mir keiner nehmen".
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